6 Monate unterwegs…

Heute vor genau 6 Monaten sind wir in Antalya angekommen und haben unsere Pension gesucht. Seit dem sind wir 8.361 km Fahrrad gefahren und haben 63.305 Höhenmeter zurückgelegt. Um dies zu schaffen war ich 565 Stunden am strampeln. Barbara ein paar Stunden mehr, ich muss ja ab und zu warten. 😉

Noch in der Türkei war alles eher wie ein „normaler“ Radurlaub. Trotz der guten Lebensmittelsituation waren wir recht unkreativ beim Essen. Abends gab es meistens Nudeln und sonst Brot mit Käse/Wurst. Wir waren sehr gespannt wie es nach der Türkei weitergehen wird. Im Iran angekommen mussten wir uns zum ersten mal mit neuen Schriftzeichen auseinandersetzen. Wir haben uns sehr fremd gefühlt. Dies verging jedoch dank der freundlichen Iraner schon nach ein paar Tagen. Die Hitze machte uns zu schaffen und wir überlegten schnell per Bahn/Bus nach Tadjikistan in die Berge zu reisen. Doch schließlich entscheiden wir uns dagegen, wir lernen mit der Hitze umzugehen. Außerdem lernen wir langsam, dass alles irgendwie geht. Diese Erfahrung wird in den nächsten Monaten immer mehr gefestigt. Etwas unsicher erreichen wir das sehr verschlossene Turkmenistan. Die Hitze macht uns weiterhin etwas zu schaffen. In Usbekistan haben wir irgendwann genug Moscheen gesehen. Wir lernen, dass alles höchstens halb so schlimm ist, wie man es sich zuvor vorstellt. Für alle Probleme findet sich eine Lösung. Ohne Sprachkenntnisse ist es nicht einfach bestimmte Sachen zu finden, doch es klappt mit genügend Zeit und Geduld immer.

In Usbekistan wird uns so langsam unsere Freiheit bewusst. Die einzigen Grenzen sind die Visa und unsere Vorstellungen/Pläne im Kopf. Wir sehen, welch ein Luxus es ist, nicht immer Arbeiten zu müssen um zu überleben. Die Menschen vor Ort könnten sich so eine Reise nie leisten. Geschätzt ca. 90 % unserer Verwandten/Bekannten in Deutschland jedoch schon. Unsere Sichtweise auf viele Dinge ändert sich bzw. wird erweitert. Es kommen viele Gedanken über das Gesellschaftssystem bzw. das ewig Hamsterrad, in dem viele Menschen leben, in den Kopf. Muss es so laufen? Warum? Welche Alternativen gibt es insgesamt oder speziell für uns? Wie würde die Gesellschaft aussehen, wenn deutlich mehr Menschen solche Erfahrungen machen würden? Würde das heutige System noch so funktionieren? Fragen über Fragen, Antworten für uns müssen wir noch finden. 😉 Wir denken auch über die Entwicklung bzw. Entwicklungsmöglichkeiten der einzelnen Länder nach? Werden Sie einen Lebensstandart ähnlich dem in Europa erreichen?

Nach wie vor sind wir von der Gastfreundlichkeit der Menschen überrascht und manchmal sehr beschämt wenn wir an Deutschland denken. Schon in der Türkei hat es ein Türke so verglichen: Wenn in Deutschland jemand alleine in einem Restaurant sitzt, spricht ihn niemand an, da jeder denkt, er will bestimmt ungestört sein/seine Ruhe haben. In der Türkei wird er nicht lange alleine sitzen, da jeder denkt, er braucht jemand zum unterhalten, da er einsam ist.

Schließlich kommen wir nach Tadjikistan, wir freuen uns auf kühlere Tage. Hier erwartet uns wieder, wie im Iran, das Persische. Hier allerdings nicht mit arabischen sondern mit kyrillischen Buchstaben. Die kühleren Tage lassen länger als erwartet auf sich warten, doch dann sind wir sehr froh etwas höher zu kommen. Wir genießen die Bergwelt sehr.

Von Kirgistan sind wir etwas enttäuscht, eventuell auch weil unsere Erwartungen zu hoch waren. Doch warum waren sie hoch? Vor unserer Reise und auch währenddessen haben wir uns größtenteils an Reiseberichte Anderer orientiert. Diese haben immer von Kirgistan geschwärmt, doch es gab einen Unterschied zu ihrer und unserer Reise. Sie kamen immer direkt von Usbekistan nach Kirgistan. Usbekistan ist ein sehr flaches und trockenes Land. Da ist Kirgistan ein starker Kontrast mit seinen Bergen, Flüssen und Seen. Da wir aber zuvor noch in Tadjikistan waren, wurden wir schon dort von einer phantastischen Landschaft verwöhnt, sodass wir Kirgistan zum Teil sogar fad fanden.

Auch hier erkennen wir wieder einmal, wie einfach doch in Deutschland die Landwirtschaft ist. Fast seit dem Beginn unserer Reise, geht ohne künstliche Bewässerung nichts! Außerdem haben wir erfahren, wie wertvoll Zugang zu Trinkwasser ist. Dies ist natürlich jedem in Deutschland auch klar, doch wenn man es über Monate am eigenen Leib erfährt und auch sieht wie die Einheimischen an sauberes Wasser kommen oder auch welche Drecksbrühe sie teils trinken müssen, dann weiß man wirklich in welch einem Luxus wir in Deutschland leben. Ganz zu schweigen von warmem Wasser oder einer Heizung. Handys sind jedoch weit verbreitet. Es kommt uns vor, dass das Zeitalter des Festnetz Anschlusses in weiten Teilen übersprungen wurde. Also von nichts zum Handy. Das ist natürlich praktisch einfacher umzusetzen als ein Telefonnetz zu errichten.

Bis zum letzten Zentralasiatischen Land unserer Reise, nämlich Kasachstan bin ich mit meinen türkischen Zahlenkenntnissen sehr gut ausgekommen. Im Iran und Tadjikistan konnte ich die persischen Zahlen nutzen. Ab China hat sich allerdings die Kommunikation sehr stark geändert! Sie können oder wollen einfach keine Körpersprache verstehen. Statt dessen bekommen wir chinesische Schriftzeichen auf die Hand gemalt oder eine chinesische Speisekarte gereicht. Die Kellner streiten sich oft, wer uns nun bedienen muss, da sie alle Angst davor haben vor der schwierigen Kommunikation. Bis Urumqi hatten wir manchmal noch einen Hauch Zentralasien verspürt, doch seit Chengdu ist davon nichts mehr übrig.

Auf der Reise haben wir unsere physischen und psychischen Grenzen kennen gelernt. Wir haben gelernt mit Rückschlägen umzugehen und immer eine alternative Gefunden. Unser Tagesablauf und unser Umgang mit speziellen Situationen hat sich seit der Türkei positiv verändert.

Heute würden wir sagen, dass wir uns durchaus vorstellen können, nach Singapur noch weiter zu fahren. In einem weiteren halben Jahr werden wir dann sehen ob wir noch Lust und Geld haben.

Überblick
Kosten: 2925 € pro Person
Übernachtungen: 183
davon im Zelt: 101
Platte Reifen: 26
Benzinverbrauch: ca. 10 Liter
verbrauchte Plastiktüten: zu viele, bestimmt knapp 1000 Stück!

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