Einen Ausflug an den Zor-Kul

Dienstag, 19.08.2014, die Nacht war wieder kalt, unser Trinkwasser war zum Teil gefroren. Zudem war es eine unruhige Nacht. Sebastian ist oft aufgewacht und ich lag auch immer wieder wach. Scheinbar macht mir die Höhe zu schaffen, mit der Atmung ist es irgendwie etwas mühsam. Ziemlich unausgeschlafen genießen wir dafür die Morgensonne, die um 6 Uhr schon ziemlich viel Kraft hat, sodass wir freiwillig aus dem Zelt krabbeln. Wir radeln zum Checkpoint und sind gespannt was passiert. Unsere Pässe werden begutachtet sowie die Erlaubnis in das Gebiet Rund um den Zor-Kul zu radeln. Drei junge Soldaten stehen uns zur Verfügung, wir fragen nach ob einer von ihnen Kommander Amir Ali ist. Nein, dieser ist zur Zeit in Langar, aber Kommander Christian stehe allzeit bereit. Also fragt Sebastian ihn nach Brot. Alles kein Problem, Kommander Christian lässt Brot holen. Es bekommt sogar jeder von uns eines geschenkt. Da hättet ihr Sebastian sehen müssen, die Welt ist gerettet, er hat endlich sein Brot 😉
Nachdem unsere Pässe nun schon durch mehrere Hände gingen, will Kommander Christian auch noch mal einen Blick riskieren. Er stockt als er meinen ansieht, er sieht auf das Passbild, sieht mich an, sieht wieder auf das Passbild. Er mag nicht glauben, dass ich das wirklich bin. Tja, 5 Monate keine Haare mehr geschnitten, dass macht sich schon irgendwie bemerkbar. Wir verabschieden uns und radeln weiter, die Strasse ist kleiner als die vorherige, aber genauso schlecht! Wir kommen nur schwer voran, da hilft uns auch der starke Rückenwind nicht weiter. Die Landschaft ist wunderschön, immer wieder sehen wir Kamele am afghanischen Ufer. Der Pamir-Fluss sieht plötzlich ganz klar aus, er läd zum Baden ein. Doch es ist ein „Sekunden-Bad“. Es ist saukalt, aber danach fühlen wir uns wie neugeboren. Wir finden ein schönes Plätzchen für die Nacht. Leider gibt es keine Bäche die Trinkwasserqualität haben. So nehmen wir das Wasser vom Pamir und setzen zum ersten Mal unseren Filter ein. Das Wasser ist nun sauber, aber nach Erde schmeckt es trotzdem. Sehr gewöhnungsbedürftig.

Mittwoch, die Nacht war wieder bitterkalt. Selbst das Trinkwasser im Zelt war zum Teil gefroren. Wir folgen weiter der Schotterpiste. Mal ist sie mehr mal weniger gut befahrbar. Ziemlich oft muss ich absteigen und ein Stück schieben. Es ist ein anstrengender Tag, zumal ich mich noch immer nicht an die Höhe gewöhnt habe. Ich fühle mich nach wie vor schlapp, müde, mir ist schlecht und der Puls rast sobald es nur ein wenig anstrengend wird. Immer wieder müssen wir kleine Pausen einlegen. Am liebsten würde ich an Ort und Stelle das Zelt aufbauen und schlafen gehen, doch wir haben kein bzw. kaum Trinkwasser und müssen weiter radeln. In unserer Landkarte sind Bäche eingezeichnet die Wasser führen sollten, doch dem ist nicht so. Es ist schon spät und die Sonne hinter den Bergen verschwunden (es ist sofort kalt) beschließen wir das Zelt aufzubauen. Zwei Liter Wasser haben wir noch, Sebastian will am nächsten Morgen zum See radeln und Wasser besorgen.

Donnerstag, der See sieht näher aus als gedacht, deshalb beschließen wir weiter zu radeln, und nicht wie gestern geplant zum See zu fahren. Nach 5 km erreichen wir eine Hütte, davor sitzen ein paar Frauen und Kinder. Als sie uns erblicken winken sie uns sofort zu sich her. Sie laden uns ins Haus ein und bewirten uns mit Brot, saurer Milch, Kaymak ( so etwas ähnliches wie Sahne), Butter und ShirChay. Der Geschmack ist sehr gewöhnungsbedürftig und ich habe zudem die Befürchtung, dass der Schuss nach hinten los gehen könnte, da ich mich immer noch nicht wohl fühle. Doch erstaunlicherweise fühle ich mich nach diesem Frühstück richtig gut. Unsere Gastgeber laden uns ein bei ihnen zu übernachten ( wohlgemerkt am Vormittag um 10 Uhr!!) Gerne würden wir bleiben und einen kleinen Einblick in ihren Alltag erhalten, doch unser Permit für das Zor-Kul Reservat läuft heute aus und wir wissen nicht ob auf unserer Strecke kontrolliert wird oder nicht. Deshalb müssen wir weiter radeln und das Gebiet heute verlassen. Da Sebastian immer noch so sehr auf Brot steht, fragen wir ob wir die Reste mitnehmen dürfen. Natürlich dürfen wir das, obendrein erhalten wir noch eine Tüte voll Kekse, sowie 1,5l saure Milch, ein Schälchen Butter und eine Flasche Wasser. Das Wasser haben sie übrigens auch vom See, da auf den Bergen zu wenig Schnee liegt sind die Bäche ausgetrocknet. Jeden Tag laufen sie ca. 2km (eine Richtung!) zum See um Wasser zu holen. Von Mai bis September, dann gehen sie wieder in das Tal nach Ishkashim zurück. Um das Vieh nach Ishkashim zu bringen sind die Hirten 5 Wochen unterwegs! Wir möchten ihnen ein wenig Geld für die vielen Dinge geben, doch die resolute Oma lehnt strickt ab. So drücken wir den zwei kleinen Lausbuben je ein Scheinchen in die Hand. Das wird genehmigt! Wir verabschieden uns und radeln weiter, immer auf der Suche nach Wasser. Wir passieren einen verlassenen Checkpoint, danach löst sich der Weg auf, teilweise ist er kaum mehr zu erkennen, da schon lange niemand mehr dort gefahren ist. Nach wie vor haben wir kein Wasser finden können. Wir entdecken in der Ferne einen weiteren kleinen See und beschließen die Räder stehen zu lassen und laufen dort hin. Es nimmt ziemlich viel Zeit in Anspruch. Nachdem wir noch eine Runde gefiltert haben, fahren wir wieder weiter und siehe da, nach unendlich vielen ausgetrockneten Bachbetten fließt plötzlich Wasser vor uns über den Weg. Es ist zwar erst 16 Uhr, aber in Anbetracht der Tatsache, dass wir nicht wissen wann das nächste Wasser kommt, (denn auf unsere Landkarte ist kein Verlass) beschließen wir hier zu bleiben und morgen einen Ruhetag einzulegen, in der Hoffnung, dass sich mein Körper nun mal an die Höhe gewöhnt und ich mit einem besseren Wohlbefinden durch die Landschaft radeln und diese in vollen Zügen genießen kann. Zum Abendessen gibt es heute mal schwäbische Küche und für den großen Hunger etwas verlängert mit Nudeln.
Wir schlafen heute auf 4300 m Höhe. Das wird bestimmt knackig kalt.
Auf unserer Landkarte sind alle Bäche saisonal eingezeichnet. Doch da auf den Bergen kein Schnee liegt sind zur Zeit alle Bäche trocken die in unsere Karte als wasserführend eingezeichnet sind. Auch die Sowjet-Militär-Karten, die min. 25 Jahre alt sind, helfen hier nicht weiter.

Freitag – Ruhetag, wie geplant machen wir heute einen Ruhetag auf 4300 m. Die Nacht war wieder eisig kalt. Das Kondenswasser ist am Innenzelt gefroren, auch der Bach hat an manchen Stellen eine dünne Eisschicht. Am Vormittag ist noch strahlend blauer Himmel. Wir nutzen die Zeit um Kleider zu waschen, zu baden, Taschen und Zelt vom Staub zu befreien und Sebastian führt eine kleine Inspektion an den Rädern durch. Plötzlich ziehen jede Menge Wolken auf, zum Teil sehen sie aus als würden sie Niederschlag bringen, mit ihnen kommt ein heftiger Wind. In aller Eile sichern wir das Zelt und bringen unsere Habseligkeiten in Sicherheit, in der Annahme den restlichen Tag im Zelt zu verbringen. Doch es ist falscher Alarm. Immer wieder kommt die Sonne heraus, dann ist es herrlich warm, dann wird sie wieder von den Wolken verdeckt und ein kalter Wind zieht auf. Wie im April. Eine Sturmböe schmeißt mein Fahrrad um, dabei kommt der Helm zu Schaden. Ich hoffe in Kirgistan einen Neuen zu finden, fühle ich mich im Straßenverkehr doch sicherer damit.
Wir genießen die Ruhe, außer dem Wind der am Zelt rüttelt und in den Ohren pfeift, sowie das Piepen der Vögel und Pfeifen der Murmeltiere ist hier absolut nichts zu hören. Es ist ein Tag der bei mir seit langem wieder richtig Heimweh hervorruft. Durch die Einsamkeit und Ruhe, hat man doch sehr viel Zeit zum Nachdenken. Zudem träumt man von leckerem heimischen Essen, von Omas fantastischen Sauerbraten, von Sauerkrautschnecken, von Pfannkuchen, Käsespätzle und Salat aus dem Garten sowie vieles Mehr. Es wird Zeit, dass wir Morgen weiter radeln und so langsam aber sicher wieder in die Zivilisation kommen. Es schlägt bei mir doch ein bisschen aufs Gemüt.

Samstag, der Ruhetag hat kleine Wunder bewirkt. Mir geht es wieder erstaunlich gut und so können wir frohen Mutes auf das Rad steigen und weiter radeln. Wir sind noch keine 6 km unterwegs, da kommt uns ein Jeep entgegen. Die ersten Touristen seit dem wir hier oben sind. Adventure-Opa und seine Familie 🙂 Er wirkt wie ein Rentner der nun auf der Suche nach dem großen Abenteuer ist. Sie kommen aus Arizona und sind sehr erfreut endlich mal Touristen zu sehen. Wir seien die Ersten hier oben im Pamir-Gebiet. Sie sind völlig beeindruckt von uns und unserer Leistung, sie können ihre Fotoapparate gar nicht aus den Händen legen. Heute wollen sie den Zor-Kul besichtigen und dann zurück nach Shaimak fahren. Also werden wir uns mit Sicherheit noch einmal begegnen, denn viele Wege gibt es nicht dort hin. Wir verabschieden uns und radeln weiter. Wir überqueren einen Pass (4427m), jedoch ist er halb so anstrengend wie es klingt, da wir uns am morgen schon auf 4300m befanden. Wir kommen in ein Tal und haben eine fast wunderbare Abfahrt bis Jarty Gumbez. Der Untergrund ist relativ gut, so dass wir es zum größten Teil einfach rollen lassen können. Mit dem Pass ändert sich auf einmal die Landschaft. Die Berge sind rötlich und wunderschön.
In Jarty Gumbez angekommen fahren wir zum Jäger-Camp, wir fragen dort nach Brot und erhalten sogleich eine ganze Mahlzeit. Wir werden in einen Raum gebeten, dort erhalten wir eine Nudelsuppe, gutes Brot, richtig gute Butter! und Aprikosenmarmelade. Nachdem wir fertig sind mit essen, wollen wir bezahlen, der junge Mann der uns bediente bittet uns einen Moment zu warten. Er muss wohl erst fragen was er dafür verlangen soll. Wir folgen ihm hinaus ins Freie und stehen plötzlich in einer Männermeute. Die Anzahl der Männer hat sich in der letzten halben Stunde vervierfacht. Sie stehen neugierig um die Räder herum, zwei sind darunter die sehr gut Englisch sprechen und so können wir uns problemlos mit ihnen unterhalten. Sie sind ganz fasziniert von uns und unserer Reise. Schlussendlich erhalten wir unsere Mittagsmahlzeit für umsonst und noch zwei Brote dazu. Damit wollen sie unsere Reise unterstützen. Wir sind völlig platt von so viel Freundlichkeit. Nach ein paar Fotos machen wir uns dann weiter auf den Weg. Erst geht es sehr steil bergauf, ich muss mal wieder schieben, dann bleiben wir immer auf einer Höhe. Der Weg lässt sich gut fahren und somit kommen wir auch noch ein ganzes Stück voran. Es ist schon Abend und wir wollen am nächsten Fluss Wasser tanken und unser Nachtlager aufschlagen, da überholt uns plötzlich ein Jeep. Der Adventure-Opa mit seiner Truppe ist auf dem Rückweg. Sie sind erstaunt, dass wir heute so weit gekommen sind. Sie können es gar nicht fassen. Der jünger Mann fragt ob wir genügend zu essen bei uns hätten. Er hat noch ein Abendessen übrig, dass er uns gerne geben möchte. Da sagen wir nicht nein und schwupp halten wir zwei Tüten Essen in der Hand sowie vom Opa eine Dose Thunfisch mit Mayonnaise. Wir sind überglücklich. Endlich mal ein anderer Geschmack 🙂 Nach nochmals unzähligen Fotos fahren sie dann davon und wir schlagen 2 km weiter unser Nachtlager auf. Zu Abendessen gibt es heute: Spaghetti mit Hackfleischsoße aus den USA. Wir müssen sagen: geschmacklich war es nicht schlecht 🙂

Ein Gedanke zu „Einen Ausflug an den Zor-Kul

  1. Mechtild Kortland

    Liebe Babara, lieber Sebastian, jetzt muss ich euch aber endlich mal schreiben. Mit großer Interesse verfolgen wir eure Tour. Wir haben wirklich Hochachtung vor euch. Ich weiß wie sich 4000m anfühlen, da wir in der Schweiz einen Berg in der Höhe bestiegen haben und ihr fahrtmit dem Fahrad noch höher durch die Gegend. Auch an seine eigenen Grenzen zu kommen ist in dem Moment keine schöne Erfahrung, aber glaubt mir das ist eine wichtige Erfahrung und wird euch im nachhinein wachsen lassen. Passt weiter auf euch auf. Wir denken zu Hause alle an euch . Ganz ganz liebe grüße von Mechtild und Hubert

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