Ich mag es nicht, in engen Straßen gegen den Strich zu fahren. Ich befürchte immer, dass die Autofahrer nicht mit uns rechnen und uns über den Haufen fahren. In Süd-Ost-Asien war dies weniger ein Problem, denn da fährt jeder wie er will, dementsprechend aufmerksam sind die Fahrer. Doch in Ländern wo es untersagt ist, solche Fahrmanöver zu machen, vor allem in solch engen Gassen, da bekomme ich einfach zu viel. So war es eine große Flucherei am Tag als wir Athen erreichten. Denn jede Gasse die Sebastian ansteuern wollte war eine Einbahnstraße. Es war einfach nur furchtbar und die Lust auf Athen war vergangen. Ich fragte mich was wir überhaupt hier machen? Die Akropolis hatte ich für einen kurzen Augenblick sehen können und was ich sah war ein Gerüst. Na herzlichen Dank auch. Sebastian sah das alles entspannter und wollte Athen auf jeden Fall noch eine Chance geben um es später als einen schönen Aufenthalt in Erinnerung haben zu können.
So machten wir uns am nächsten Tag ausgeschlafen und munter auf den Weg zur Akropolis. Es war noch früh und kaum etwas los auf den Straßen. Alle Läden hatten noch geschlossen, die schweren Rollos waren alle noch unten. Da wir keinen detaillierten Stadtplan hatten, nahmen wir sicherheitshalber das GPS mit, damit wir irgendwie voran kommen, geschweige denn wieder zurück finden. Pünktlich um 8 Uhr trudelten wir am Eingang der Akropolis ein, jeden Moment wurden die Tore geöffnet und jetzt standen schon einige Touristen davor. Gar nicht auszudenken was zwei Stunden später los sein wird, wenn all die Busse kommen.
Wir besichtigten die Akropolis, recht zügig waren wir damit fertig. Im Internet hatten wir Kommentare gelesen, in denen Personen schrieben, dass sie voller Ehrfurcht vor diesen teils 3000 Jahre alten Säulen/Steinen gestanden hätten und die Architektur hätte sie überwältigt. Ich weiß nicht, wahrscheinlich sind wir Kulturbanausen und schätzen das wertvolle Gut viel zu wenig, doch so sehr beeindruckt hat uns das jetzt nicht. Die Aussicht auf die Stadt fand ich viel interessanter. 😀
Was das Ganze imposant macht, ist die Tatsache, dass die Akropolis auf einem Berg steht.
Nun ja, jedem das Seine. Fürs Erste waren wir bedient und so traten wir den Heimweg an. Endlich fanden wir die kleinen Gässchen, die ich am Vortag vermisst hatte. Gassen mit hübsch eingerichteten Restaurants und Souvenierläden. Am Ende einer Gasse stießen wir auf Tom. Ein sehr spezieller Typ der vor einigen Jahren aus Irland hier herüber kam, seither führt er ein sehr bescheidenes Leben. Er bastelt kleine Fahrräder aus Draht und verkauft sie für einen Euro. Von diesen Einnahmen lebt er. In der Regel verkauft er 10 – 15 Stück täglich.
Ich sollte mal darüber nachdenken ob ich mich nicht auch mal nach unserer Rückkehr in ein Touri-Gässchen setze und meine gewerkelten Dinge verkaufe. Mit Toms Rädchen kann ich locker mithalten. Ich kann nämlich auch Tandems mit Anhänger 😛
Auch wenn ich solche Sachen selbst zu Hause mache, wir wollen Tom unterstützen und kaufen ein Rad von ihm. Mit dem Rädchen im Gepäck schlendern wir weiter und statten der Wachablösung vor dem Parlament einen Besuch ab. Wir können das nicht so ernst nehmen. Die Wachablösung findet stündlich statt und ist zu einer reinen Show verkommen. Etliche Touristen stehen drum herum und sehen zu wie die Wächter sich mit ihren Röckchen und den komischen „Pommel-Schuhen“ zum Affen machen. Wer hier auf dem Platz stehen muss, hat doch mit Sicherheit etwas verbrochen. Es gleicht einer reinen Strafarbeit. Knapp eine Stunde ruhig auf einer Stelle stehen, keine Miene verziehen und dann plötzlich auf Kommando über den Platz stolzieren wie eine Mischung aus Pferd und Storch. Komisch. Es ist mal wieder Zeit um sich zu amüsieren. Nachdem wir genug gelacht haben statten wir einigen Bäckereien unseren Besuch ab. Sie stehen den deutschen Bäckereien in fast nichts nach. Lediglich das Brötchensortiment und die große Auswahl an Körnerbrot fehlt.
Über die Einkaufsstraße laufen wir zurück zum Hotel.
Je weiter wir uns vom Areal der Akropolis entfernen desto gammliger wird die Stadt. Das Viertel in dem wir wohnen gleicht einem Ghetto. Unzählige Häuser stehen leer, die Wände sind entweder dreckig grau oder völlig verschmiert mit Graffiti (ab und an findet sich auch ein schönes Bild darunter), auf offener Straße sieht man Menschen die sich fixxen oder in Mülltonnen herum wühlen, bis spät in die Nacht ist es laut auf den Straßen. Musik läuft, Menschen unterhalten sich, Kinder spielen auf den Gassen. Es ist nicht gerade ein Wohlfühlviertel. Auch unser Hotel sieht nicht sehr einladend aus und je öfter wir ein und aus gehen desto mehr fragen wir uns: Ist das hier auch ein Flüchtlingslager?
Die Hotellobby wirkt schmuddelig, überall sitzen Leute herum (eindeutig keine Griechen!), rauchen, unterhalten sich, schlafen oder spielen mit ihren Smartphones. Ein Stockwerk höher das gleiche Bild, nur das hier noch viel mehr Dreck auf dem Boden liegt. Da überrascht es umso mehr, dass unser Zimmer so pickobello ist. Es ist funktionell aber absolut sauber, als wir zurück kommen stellen wir sogar mit großer Überraschung fest, das unser Zimmer gereinigt wurde und wir frische Handtücher erhalten haben. Solch einen Service hatten wir schon lange nicht mehr!
Die Tatsache das wir es in den vier Wänden ganz gut aushalten, beschließen wir noch einen weiteren Tag zu bleiben. Wir steigen auf einen Berg mit grandiosem Ausblick auf Athen und die Akropolis, anschließend besuchen wir noch weitere Stätten des antiken Athens und entdecken bunte Gassen mit tollen Bars und Cafes.
Am Ende sind wir, vor allem ich, dann doch zufrieden mit unserem Aufenthalt hier. Athen hat doch auch ein paar schöne Seiten, man muss sie nur finden, was etwas schwierig ist in diesem wahnsinnigen Labyrinth an Gassen.
In dem Ghetto in dem wir wohnten fühlten wir uns dennoch wohl und wir sind froh dort gewesen zu sein, so hatten wir auch einen Einblick in das Leben auserhalb der Touristengebiete. Wobei diese größtenteils erschreckend waren und nachdenklich machten. Und das Non-Plus-Ultra: Wir haben direkt neben dem Hotel einen Bäcker mit iranischen Fladenbrot gehabt 🙂
Nachtrag:
Beim Schlendern durch die Gässchen sind wir außerdem auf viele Läden mit Leder gestoßen. Wir entschlossen uns also ein Stück zu kaufen um unseren Griffen endlich einen Lederüberzug zu verpassen. Seit Bishkek habe ich 2x das eher Plastikartige Kunstleder aus Kirgistan erneuert, doch es hatte sich vor kurzem schon wieder aufgelöst. Beim Abschrauben der Griffe ist Sebastian bei seinem linken Griff die Klemmschraube abgerissen, neue Herausforderung. Nachdem 2 Läden gescheitert sind, ein Seitenschneider und ein Bohrer abgebrochen und ein dritter Laden erst gar keine Hoffnung hatte, haben wir dann in unsere Verzweiflung bei einem Schlüsseldienst nachgefragt. Auch er hatte anfangs wenig Hoffnung, doch alsbald sah er es als Herausforderung. Die Edelstahlschraube und der Alugewindeeinstaz wurden vollständig entfernt und nun ist eine größere Schraube mit Mutter an die Stelle getreten. Dumm nur dass das Griffhörnchen nun ein Loch oben hat und Sebastian nun Abdrücke vom Loch und der Schraube in der Hand. Dies werden wir jedoch beheben sobald der Griff, hoffentlich ein letztes mal, montiert ist.
Sehr häufig sieht man zwischen den Häusern, auf den Hügeln oder an der Straße kleine Kirchen.
Sebastian die Bäckerei muss ja wahre Herzsprünge bei dir verursacht haben – ein Traum!