Endlich wieder mal Asphalt unter den Rädern. Zudem ist es auch noch flach. Genüsslich radeln wir dahin und das alles ohne Anstrengung. Nach 40 km sind wir kurz vor Berane. Wir kaufen nochmals ein, dann verlassen wir die Hauptstraße. In Montenegro gibt es unzählige ausgeschilderte Wander- und Radwege. Die Radwege sind allerdings hauptsächlich für Mountainbiker gedacht, was Sebastian jedoch keineswegs daran hinderte, sich dieses Radwegenetz im Internet genauer anzusehen. So bekam er heraus das von Berane über eine Bergkette sowie einen kleinen See ein Weg nach Mojkovac führt. Im Internet habe gestanden, dass dieser Weg tauglich für Mountainbikes und Tourenräder sei, so beschloss Sebastian kurzerhand, dass wir diesen Weg fahren. Eigentlich hatte ich wenig Lust dazu, denn dieser Weg wird sicherlich nicht einfach sein, doch eine Frau (auch Langzeit-Radlerin) ist letztes Jahr diesen Weg in entgegengesetzte Richtung gefahren, da werde ich das ja wohl auch schaffen.
Mein Ehrgeiz war geweckt und so verließen wir die Hauptstraße und folgten einem neu geteerten Landsträßchen, das uns immer tiefer in die montenegrische Hügelwelt brachte. Wir passierten wunderschöne, saftige Wiesen und ein kleines Dörfchen, Lubnice. Der Weg wurde immer schmäler und führte in einen Wald. Immer wieder tauchten kleine Häuschen auf, an Stellen an denen man nie welche erwartet hätte. Es ging stetig bergauf und plötzlich endetet die Asphaltstraße und ein Schotterweg begann. Zu Beginn war er noch gut zu befahren, doch je höher wir kamen desto schlimmer wurde es. Immer wieder folgten Passagen, die an den gestrigen Tag erinnerten: Schotter, dicke Steine und steil.
Mehrmals machten wir kurze Verschnaufpausen, ehe wir wieder halbwegs motiviert auf die Räder stiegen. Eine tolle Aussicht würde uns oben erwarten, welche uns alleine auch voran trieb. Größtenteils führte der Weg durch kleine Wälder, dann lagen plötzlich Almen mit herrlich frischen Blumenwiesen vor uns.
Der Weg war teils in sehr schlechtem Zustand und immer wieder musste ich absteigen und ein Stück schieben. Ich bewunderte Sebastian, er muss ein kleines Maschienchen in sich haben. Sehr geschickt strampelte er schwierige Passagen hinauf, während ich wie eine alte Dampflok mit größter Mühe mein Rad bergauf schob. Die Zeit verging und der Abend nahte, doch bis nach oben werden wir es noch schaffen! Wir müssen es schaffen, denn dort oben gibt es angeblich, laut Sebastians GPS, Trinkwasser. Der Weg wurde schlechter und schlechter, die Konzentration und Kraft ließ nach. Immer wieder mussten wir absteigen und schieben, teilweise schoben wir ein Rad sogar gemeinsam, um Kräfte zu sparen und es uns leichter zu machen. Gegen Ende stieg ich noch nicht mal mehr auf’s Rad, sondern entschied mich für das Schieben. Es machte keinen Sinn mehr für mich 5 Meter zu fahren und 10 Meter zu schieben. Dies war noch anstrengender als nur schieben und obendrein tat mir der Hintern furchtbar weh.
Die Baumgrenze rückte näher und wir konnten schon den Höhenkamm ausmachen auf dem wir landen sollten. Doch bis wir diesen erreichten vergingen noch unendlich viele Minuten. Wir strampelten, schoben, schwitzten und ich fragte mich immer wieder: Für was mache ich das eigentlich? Hätten wir nicht ganz gemütlich, wie alle anderen Radler auch um die Berge herum auf der Hauptstraße fahren können? Ja hätten wir, doch dann hätten wir niemals nie diese gigantische Aussicht gehabt. Als wir endlich, nach 3,5 Stunden, müde und abgekämpft die Spitze erreichten lag uns eine hübsche Bergwelt zu Füßen. Ein Großteil war allerdings nur als Schatten zu erkennen, da er im untergehenden Sonnenlicht lag. Schade, doch morgen werden wir diese Berge besser sehen, wenn wir die Sonne im Rücken haben. Über Wiesen rollten wir sanft dahin und fuhren zur markierten Trinkwasser-Stelle. Tatsächlich, dort angekommen befand sich sogar ein Wegweiser, der darauf hin wies, dass in der Nähe eine Quelle ist. Wir rollten über die Wiese und suchten und suchten, doch wir konnten beim besten Willen keinen Tropfen Wasser finden. Oh Mann wie ärgerlich! Wir hatten uns vor gestellt, dass wir die Nacht hier oben auf knapp 2000 Metern verbringen und das wunderschöne Panorama bei Sonnenauf- und -untergang betrachten können, damit sich die Mühen auch wirklich gelohnt haben. Doch ohne Wasser können wir uns diesen Gedanken redlich abschminken. So blieb uns nichts anderes übrig als die Abfahrt ins nächste Tal anzutreten. Vor allem sollten wir dies zügig tun, es war nämlich schon 18 Uhr. So rollten wir schweren Herzens hinab und erreichten wieder die Baumgrenze. Ab und an kreuzten Wanderwege unseren Weg, dann erschien plötzlich eine Tafel am Wegesrand, die darauf hinwies, dass man weiter unten Getränke, Brot und Joghurt kaufen könnte. Juhu, da muss wohl eine Alm sein. Und so war es auch. Wir kamen aus einem kleinen Tannenwald raus und sahen zu unseren Füßen eine kleine Alm, mit zwei Häusern darauf. Es waren je zwei Gaststuben, mit Sitz- und Schlafgelegenheit. Eine junge Frau empfing uns, sie sprach bestens Englisch und erklärte uns, dass zelten kostenlos sei. Das kommt ja wie gerufen. Wir hätten auch für 10 € eine schnuckelige Hundehütte nehmen können, doch wir entschieden uns für unser Zelt. Eine kalte Dusche, Nudeln mit Soße und ein kühles Bier, dann ging es hundemüde ins Zelt. Zeit um sich von den heutigen Strapazen zu erholen. Ich wüsste nur zu gerne wie viele Kilometer ich heute bergauf geschoben habe. 1,5 – 2 km waren es sicherlich. Warum tut man sich so was an?