Auf ins Abenteuerland

Unser Zeltplatz war zwar hübsch anzusehen, doch wie heißt es so schön: „außen hui, innen pfui!“ Warum? Wir entdeckten seit langem mal wieder Stacheln. Diese komischen „Stacheldinger“ mit denen wir in Kirgistan schon unliebsamen Kontakt hatten und es wimmelt mal wieder nur so von Ameisen. Wir zogen am Abend extra nochmals ein paar Meter mit unserem Zelt um, doch dies brachte wenig, im Gegenteil, Sebastians Matte hat es wieder erwischt und so ging ihm in der Nacht die Luft ab. Er muss auf so einem Stachelteil gelegen sein. Ebenso war es schwül warm und wir sind sehr überrascht über unser Innenzelt. Es ist ein 4-Jahreszeiten-Zelt und dies macht sich deutlich bemerkbar. Wo es uns im Pamir vor der Kälte schützte, so schützt es uns nun auch hier vor der „Kälte“. Der Stoff lässt absolut nichts durch und ruck zuck fühlt es sich darin an wie in einer Sauna.

Dementsprechend war die Nacht, Sebastian wachte immer wieder auf und pumpte erneute seine Matte auf und zusammen schwitzten wir um die Wette. Da kann man sich ja ausmalen wie die Laune war. Und manchmal gibt es Nächte, da ist man heilfroh wenn sie endlich zu Ende sind und man wieder aufstehen kann. So auch heute. Als wir beim Frühstück sitzen hören wir immer wieder in der Ferne leichtes Donnergrummeln. Wir können allerdings nicht fest stellen, wo kommt es her und wird es zu uns kommen? So steigen wir auf die Räder und radeln los. Der Fahrtwind sorgt für ein wenig Abkühlung.


Wir sind auf dem Weg zur Grenze nach Myanmar (früher Burma). Nach langem hin und her haben wir uns entschieden diesen Weg zu gehen. Myanmar hat einige Sehenswürdigkeiten, diese befinden sich aber alle in der Mitte oder im Norden des Landes. Um diese besichtigen zu können, hätten wir erst einmal 600 km von Bangkok aus in den Norden fahren müssen, dann nach Westen nach Myanmar um dann von dort nochmals 600 km Richtung Norden zu fahren. Viel zu weit und mit dem Rad in unserer Zeit (30 Tage) nicht machbar, vor allem wenn man im Süden raus fahren will. Wir hätten wieder eine Menge öffentliche Verkehrsmittel nutzen müssen und darauf wollen wir verzichten. Ebenso gehen wir davon aus, dass die Touristenattraktionen in unseren Augen wieder zu einem Rummel verkommen, so entschieden wir uns, den Grenzübergang gleich westlich von Bangkok zu nehmen um einen richtigen Einblick in die Kultur und das Leben der Burmesen zu gewinnen. Zu diesem Grenzübergang ließen sich allerdings wenige Informationen finden und so lassen wir uns einfach mal überraschen was passieren wird. Ein bisschen Spannung ist da.

Während wir der Grenze immer näher kommen, höre ich wie Sebastian plötzlich „iiiih“ schreit. Zwei Sekunden später schreie auch ich schon „wääääääh“ und reiße instinktiv die Füße in die Luft. Was war dass denn? Da lag eine Schlange auf der Straße und wir sind darüber gerollt. Sie war bestimmt schon tot, wenn nicht dann ist sie es jetzt. Sorry, das tut uns sehr leid!!!
Kurz vor der Grenze geht es dann ziemlich bergauf, ein Plattfuß an Sebastians Vorderrad beschert uns eine Verschnaufpause. Nach wie vor hören wir immer wieder Donnergrummeln, der Himmel ist bewölkt und die Luft schwül warm. Uns läuft der Schweiß gerade so aus dem Körper hinaus, als hätte man irgendwo den Wasserhahn aufgedreht.
Im Grenzdörfchen machen wir Mittagspause und trinken nochmals eine Tüte Eiskaffee, man weiß nie wann man es wieder bekommt 😉 dann rollen wir zur Grenze und reisen aus. Der thailändische Grenzbeamte sieht uns mürrisch an und erklärt uns, dass wir mit den Rädern nicht in Myanmar fahren dürfen. „Warum nicht?“ fragen wir ihn, er meint daraufhin, dass dort drüben geschossen wird. Oha, dass sind ja mal ganz tolle Infos. Komischerweise lässt er uns trotzdem rüber. Na, dann kann es ja nicht so gefährlich sein. Oder etwa doch? Während wir noch die letzten 4 km auf thailändischem Boden abstrampeln, beginnt es zu tröpfeln, das Gewitter scheint näher zu kommen und mir wird es mit jedem Meter mulmiger. Ist es wahr, dass da drüben noch geschossen wird? Ich hoffe es nicht. Mal sehen was uns die Burmesen sagen werden. Zum letzten thailändischen Checkpoint geht es nochmals steil bergauf. Völlig verschwitzt kommen wir dort an. Ein Beamter empfängt uns freundlich und spurtet sofort los um uns jeweils eine Flasche gekühltes Wasser zu bringen. Sehr aufmerksam von ihm. Wir reisen aus und rollen hinüber zu den Burmesen. Unser erster Eindruck: In Sachen Entwicklung stehen sie den Kambodschanern in nichts nach. Einfache, primitive Hütten säumen den Straßenrand und der Straßenbelag besteht aus Sand, Staub und Steinen. Sehr auffällig und für uns im ersten Moment recht amüsant, die Männer tragen hier Wickelröcke und es wird vermehrt dieses komische Etwas gekaut, dass einen roten Speichel macht, der die jeweilige Person aussehen lässt wie ein kleiner Zombi, wenn die rote Suppe in den Mundwinkeln und auf den Lippen hängt. Von Zeit zu Zeit wird dies dann ausgespuckt, weshalb sich auf der Straße oft rote Flecken sehen lassen, die aussehen als hätte hier jemand tierisch viel Blut verloren. Wir werden schon noch dahinter kommen was es ist.
Wir stehen erst einmal ratlos da, denn nirgendwo lässt sich das Stempelhäusschen identifizieren. Es eilt uns jemand zur Hilfe und zeigt uns den Weg. Die Einreise ist völlig unproblematisch, doch auch hier wird uns wieder gesagt, dass wir bis Dawei einen Bus nehmen müssen. Dieser Mann, der uns das sagt, wir können ihn nicht ganz zu ordnen. Ist es ein Busfahrer, der nur sein Geld machen will? Ist es ein Grenzbeamter, der uns sagt was wir zu tun haben? Wir trauen ihm nicht ganz über den Weg und entscheiden uns deshalb einfach wieder auf die Räder zu steigen und zu sehen was passiert. Niemand hindert uns daran und so rollen wir auf die „Hauptstraße“ zurück. Sebastian wechselt noch ein wenig Geld. Dollar-Noten will hier niemand, sie sind ganz scharf auf thailändische Baht. Da Sebastian davon noch genügend hat, wechselt er diese, dann rollen wir Richtung „Ausgang“. Doch dort, am vorerst letzten Checkpoint, werden wir wieder aufgehalten. Wir dürfen nicht mit dem Rad, in das ca. 150 km entfernte Dawei fahren, wir müssen einen Bus nehmen. Auf die Frage „Warum?“ grinsen sie nur und können es nicht erklären. Es ärgert uns. Ist da was Wahres dran, warum wir nicht radeln dürfen? Oder ist es nur wieder reine Schikane? Wie damals in Turkmenistan? Geldmacherei und sonst nichts?
Ehe wir noch weiter darüber nach denken können, haben die Grenzer auch schon einen Mini-Mini-LKW angehalten und den Fahrer sowie seine zwei Begleiter beauftragt, dass sie uns mitnehmen müssen. Und schon haben sie unsere Räder in der Hand und laden auf. Wir sind sprachlos, was sollen wir machen? Bleibt uns ja keine andere Wahl, oder? Da es sich hier wirklich um einen Mini-Mini-Mini-LKW handelte, war vorne das Führerhäuschen voll und wir mussten auf der Ladefläche Platz nehmen. Den Preis konnten wir von 50 Dollar auf 30 herunter handeln. Immer noch günstiger als ein Bus (44 Dollar), doch immer noch zu viel! Mittlerweile war es schon 16 Uhr.
Der LKW setzte sich in Bewegung und wir rumpelten in den Dschungel von Myanmar. Die Straße war von sehr schlechtem Zustand und so war es wenig komfortabel, da hinten auf der Ladefläche. Glücklicherweise, hatte der Fahrer in Thailand Autoreifen gekauft, auf denen wir nun sitzen konnten. Sie federten die Schläge ein wenig ab. Trotzdem war es sehr unangenehm! Hinzu kam, dass die Räder durch das Gerumpel hin und her rutschten. Sie waren zwar mit Seilen an der Bordwand fixiert, doch richtig fest standen sie nicht. Sebastian versuchte mit weiteren Seilen unsere Räder zu sichern, ebenso schoben wir einen Autoreifen zwischen die Räder damit sie nicht so einfach von der Wand weg rutschen konnten, doch es half alles nichts. Wir mussten zusehen, wie sich die GPS-Halterung löste, wie Sebastians Rad immer mehr Schräglage bekam und dadurch der Steuersatz sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde und wie sich erst später heraus stellte, bekam mein Sattel eine gehörige Macke ab und an meiner rechten Satteltasche fanden wir ein Loch, so groß wie ein 1€-Stück. Von uns ganz zu schweigen, wir spürten jede Unebenheit und der viele Staub und Lärm, machte die Fahrt unerträglich.

5 Stunden sollte die Reise nach Dawei dauern. Wir waren erst 30 Minuten unterwegs und hatten die Schnauze gestrichen voll. Sebastian schimpfte und fluchte vor Wut und sagte alle 2 Minuten „wir steigen jetzt aus!“, mir standen eher die Tränen in den Augen, da ich nicht wusste was wir machen sollen? Den Fahrer dazu bringen, dass er uns aussteigen lässt? Nur was machen wir dann? Wird hier wirklich geschossen? Bringen wir uns dann in Gefahr? Halten wir jetzt einfach durch und fahren mit dem LKW nach Dawei? Oder ist es besser jetzt aus zusteigen, wenn wir lebend in Dawei ankommen wollen? Mir war Angst und Bange.
Nach 30 km hielt der LKW plötzlich an, mitten in der Pampa. Was passiert nun? Ah, nur Pinkelpause. Sebastian schäumt fast über vor Wut, als uns einer der Männer fragt, ob alles okay sei. „Okay, ist hier gar nichts! Wir steigen jetzt aus!!“ antwortete Sebastian ziemlich gereitzt. Zu diesem Zeitpunkt fummelte ich gerade an einem der Seile herum, eigentlich mit dem Vorhaben sie wieder fester zu zurren. Doch für den Fahrer erweckte es wohl wirklich den Eindruck, dass ich die Räder abschnallen wolle. Daraufhin ging er zu seinen beiden Kollegen und beriet sich mit ihnen. Dann kamen sie zurück, versuchten noch irgendetwas zu sagen, doch wir verstanden nichts. Der englischen Sprache waren sie nicht mächtig. Vielleicht wollten wir auch einfach nichts verstehen. Ohne weiter zu murren, ließen sie uns aussteigen, warteten aber lange ab, bis wir ihnen dann doch endlich noch 5 Dollar gaben. Dann fuhren sie davon und wir standen in Mitten des burmesischen Dschungels. Es war mittlerweile 17 Uhr! Was nun? Wie dumm können wir nur sein? Was machen wir hier? Wären wir nicht besser mit ihnen weiter gefahren? Sebastian sieht das alles nicht so eng mit der Schießerei. Er meint, sonst hätten uns die Grenzer niemals herein gelassen und / oder die LKW-Besatzung hätte uns nicht aussteigen lassen.
Naja, zu essen und zu trinken haben wir noch genug. Radeln wir einfach mal weiter und suchen uns einen Platz fürs Zelt. Wir sind gerade mal 500m weit geradelt, da sehen wir hinter einer Kurve ein großes Plakat von einem Tempel, ein Pfeil zeigt nach links auf einen schmalen Feldweg. Das ist doch die Rettung, oder etwa nicht? Wir biegen auf den Weg ab und können sogleich einen Mönch mit einer riesigen Machete sehen. Wir fahren zu ihm und Sebastian fragt ihn, mittels Körpersprache, ob man hier irgendwo in der Nähe schlafen kann. Er versteht ihn sofort und deutet uns, dass wir mit ihm mitkommen sollen. Wir folgen ihm noch ein paar Meter, dann kommen wir auf einen kleinen Platz. Ein paar Gebäude stehen darauf unter anderem ein winziger Bungalow. Davor sitzt ein Mönch, es scheint der Chef zu sein. Die beiden Mönche unterhalten sich kurz, dann lachen sie uns freundlich an und zeigen uns wo wir die Nacht verbringen dürfen. Ebenso zeigen sie uns die Dusche und das Klo und wir bekommen sogar noch eine Schüssel Trinkwasser. Neugierig sehen sie uns zu, auch ein paar Kinder kommen. Doch die Kommunikation ist etwas schwierig.
Überglücklich und hundemüde schlafen wir ein. Mal sehen was uns morgen erwarten wird.

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