Die dritte Nacht in Folge war recht unruhig, warum wissen wir auch nicht. Irgendwie können wir zur Zeit nicht so gut schlafen. Dementsprechend müde stehen wir auf. In der Nacht hat es ein wenig genieselt, wir haben den Eindruck die Wolken hängen noch tiefer als sonst. Wir radeln los, bis zu unserer Mittagspause sind wir nur von Bambus umgeben. Es gibt keine Terrassen mehr, sondern nur noch Bambuswald, erstaunlicher weise hören wir dennoch kaum Vögel. Mit jeder Stunde klart es auf, d.h. es wird heller, denn die Wolken steigen höher, aber es bleibt, wie in den letzten Tagen auch, trüb! Unsere Laune könnte man auch als trüb bezeichnen, es nervt uns mal wieder alles. Dies mag unter anderem wohl an unserem Schlafmangel und dem Wetter liegen, denn das schlägt auf’s Gemüt aber auch der enorme Reizpegel. Sobald wir in kleinen Städten anhalten, werden wir umringt von Chinesen, die einfach nicht verstehen wollen, dass wir sie nicht verstehen. Sie reden in einer Lautstärke auf uns ein. Man könnte meinen, sie gehen davon aus, dass wir „nur“ schwerhörig sind und deshalb nichts kapieren. Hinzu kommen dann die ständig hupenden Verkehrsteilnehmer, manchmal schmerzt es tierisch in den Ohren, da die Hupen sehr schrill sind.
Da wir sehr gestresst sind, keimt der alte Gedanke von Sebastian wieder auf, das Land so schnell wie möglich zu verlassen. Dafür spricht auch, dass die Landschaft zwar schön ist, doch jeden Tag das gleiche Bild finden wir langsam fad. Die Berge sagen uns doch mehr zu.
So sitzen wir in der Mittagspause am Straßenrand und studieren die Karte. Ist es sinnvoll in den Bus zu steigen? Können wir damit überhaupt ein paar Tage gewinnen? Welche Stadt wäre geeignet um in den Bus zu steigen. Fragen über Fragen. Doch aus diesen werden wir schnell heraus gezogen, als eine Gruppe chinesischer Radler an uns vorbei zieht. Manche von ihnen halten an, machen Fotos, andere rauschen einfach vorbei, einer kommt sogar zurück und sieht Sebastian beim Pinkeln zu 😀 Irgendwann sind sie alle wieder fort.
Auch wir beenden unsere Pause und strampeln weiter. In der nächsten Ortschaft haben wir die Radel-Gruppe wieder eingeholt, denn dort sitzen sie in einer Suppenküche. Wir winken ihnen nochmals zu, doch das hätten wir uns „sparen“ können, denn nun beginnt ein Katz- und Maus-Spiel. Sie überholen uns, bevorzugt bergauf, da sie kaum Gepäck dabei haben, bergab sind wir wieder schneller. Und plötzlich startet ein Wettrennen. Eine junge Frau, fordert Sebastian heraus, ein Mann, mittleren Alters hat es auf mich abgesehen. Es ist ein lustiges Hin und Her, bzw. Auf und Ab. Einige Menschen am Straßenrand müssen schmunzeln als sie uns sehen. Es steigen sogar zwei Männer auf das Rad und fahren mit. Das „Rennen“ geht ganz schön auf die Pumpe, weshalb ich eine Stunde später nicht mehr kann, um genauer zu sein, nicht mehr mit dem Mann mit halten kann. Auch Sebastian wird von der Frau ganz schön heraus gefordert, zudem bemerkt er, dass ich etwas hinten dran hänge, somit lässt er sich zurück fallen und wir fahren gemütlich weiter. Doch wir sind immer noch in Sichtweite zur Gruppe bzw. den letzten Fahrern. Nach gemeinsamen 50 km, erreichen wir Xuyong, dort wartet der Radeltrupp. Auch wir halten nochmal an, wir wollen uns von ihnen verabschieden und stellen fest, dass wir noch nicht einmal die Letzten waren. Nach uns kamen auch noch ein paar Radler.
- er stieg spontan auf und fuhr mit
- Sebastians Herausforderin
Plötzlich wird telefoniert, dann kommt die junge Frau auf uns zu und macht uns mit Händen und Füßen deutlich, dass sie uns nach Hause einladen möchte. Just in diesem Moment möchte uns auch der Herr, mit dem ich ein Rennen laufen hatte, zu sich einladen. Ja was nun?? Da müsst ihr euch irgendwie einigen, wir würden gerne bleiben. Niemand spricht Englisch dadurch ist die Kommunikation sehr schwierig. Doch kein Problem, dem wird Abhilfe geschaffen, die Englischlehrerin wird informiert und auf einem Moped herbei geholt. Das ist doch super, eine Übersetzerin 🙂 Kurzum, wir nehmen die Einladung an. Zuerst wollen sie mit uns Essen gehen, dann werden wir bei dem Mann übernachten. Mittlerweile wissen wir auch seinen Namen, Mr. Huan. Die junge Frau heißt Jense und die Englischlehrerin dürfen wir Lili nennen. Als alles geklärt ist geht es los, durch die Stadt immer Mr. Huan hinterher. Lili hat bei Jense Platz auf dem Gepäckträger genommen. Wir kehren in ein Lokal ein. Dort bekommen wir ein Zimmer extra für uns. In der Mitte steht ein Tisch mit integrierter Herdplatte, wie sich später heraus stellt, ist Mr. Huan der Chef von diesem Restaurant. Wir unterhalten uns, Lili ist fleißig am übersetzen und so vergeht die Zeit wie im Flug.
Ein großer Topf wird herein getragen, sieht aus wie Suppe, nur schwimmt darin etwas herum. Gemeinsam stochert man nun in der Suppe und fischt sich was Leckeres zum Essen heraus. Ohje….mir wird ganz elend, als ich den Inhalt sehe. Es sind nur Innereien darin enthalten, irgendwelche Röhrchen (Darm, Blutgefäße, Lunge?) in Scheiben geschnittenes Herz, Nieren, Panzen? und Leber. Wie eklig….In diesem Moment kommen Kindheitserinnerungen hoch. Ich erinnere mich daran wie wir bei norwegischen Freunden zu Gast waren, eine Suppe wurde serviert mit, auf den ersten Blick, undefinierbaren Dingen darin. Ich habe den strengen Blick meiner Eltern und ihre Worte im Kopf: „Kinder, es wird gegessen was auf den Tisch kommt! Zumindest wird probiert!“ Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es sich nur um eine Suppe mit allerhand Meeresgetier gehandelt hatte. Also mit dem aktuellen Essen fast nicht zu vergleichen 😀
Am liebsten würde ich nun alles stehen und liegen lassen und den anderen beim Essen zusehen, doch das wäre sehr unhöflich gegenüber unserer Gastgeber, deshalb heißt es: Augen zu und durch!! Zu unserer Erleichterung wird nach und nach noch Gemüse hinzu gefügt. Glück gehabt 🙂
Schmeckt das eigentlich überhaupt jemandem hier am Tisch?? Lili ist mit übersetzen beschäftigt und kommt kaum zum Essen und Jense sucht sich auch nur das Beste heraus. Als sie so ein „dickes Rohr“ erwischte, entgleisten ihre Gesichtszüge völlig. Sie versuchte zwar eine gute Mine zum „bösen Spiel“ zu machen doch es gelang ihr nicht, ihr stand der Ekel ins Gesicht geschrieben. Dennoch biss sie tapfer hinein….dann landete das Rohr jedoch im Mülleimer 😀 Ich war sehr erleichtert!! Es geht nicht nur uns so. Wahnsinn, dass auch Chinesen mal etwas nicht essen wollen. Das Essen neigt sich dem Ende zu und plötzlich steht Mr. Huan auf, nimmt die große Schöpfkelle, rührt im Topf herum und packt mir eine ganze Kelle voller Innereien in mein Suppenschälchen. Oh nein?? Was soll das denn?? Bei Sebastian macht er das Gleiche. Mir muss das planke Entsetzen im Gesicht gestanden haben. Lili beruhigt mich und erzählt mir, dass dies eine chinesische Tradititon sei und der Gast am Ende, als Anerkennung und Respekt vom Gastgeber das restliche Essen bekommt. Na herzlichen Dank, ich gebe mein Bestes und fühle mich ab sofort geehrt. Sie fügt jedoch hinzu, dass wir es nicht komplett aufessen müssen. Gott sei Dank!! Wir fischen noch das appetitlichste heraus und teilen dann mit, dass wir satt sind. Besser ist es 🙂
Nachdem unsere Mägen mit all dem „Schlachtabfall“ gefüllt waren, ging es zu Mr.Huans Wohnung. Er lebt mitten in der Stadt, im vierten Stock, mit seiner Frau, Tochter und seiner Mutter. Seine Tochter ist schon älter und studiert außerhalb, weshalb wir ihr Zimmer nutzen dürfen. Nach dem wir alle frisch geduscht und gekleidet sind, steht noch ein kleiner Stadtrundgang an. So trafen wir uns wieder mit Lili und zwar am Fahrradladen.
- Lili und ihr Sohn
Eine zweite Englischlehrerin war nun auch dabei, es hat sich herum gesprochen, dass zwei Deutsche da sind. Dann trudelt auch noch Jense ein, dieses Mal nicht auf dem Rad sondern auf dem Motorroller, sie läd mich auf eine kleine Runde ein. Da sage ich nicht nein und steige auf. Sie fährt die Gasse hoch, während die anderen uns gemütlich hinterher laufen. Wir müssen einen Moment warten, sie macht eine Geste, die ich als eine zweite Rundfahrt deute, deshalb nicke ich und ab geht die Luci. Von wegen kleine Runde, sie fährt und fährt….über große Straßen, in kleine Gassen, auf dem Gehweg….immer weiter weg, in die Dunkelheit der Stadt, irgendwann habe ich völlig die Orientierung verloren…Meine Güte, was ist mit Sebastian?? Nunja, er ist mit zwei Englischlehrerinnen, Mr. Huan und „Angela Merkel“ unterwegs, ihm wird es schon gut gehen. So genieße ich die Spritztour und lasse mir den Wind um die Ohren fegen. Jense zeigt mir hier und da einige „Sehenswürdigkeiten“ , allerdings ist es sehr schwierig zu verstehen um was es dabei geht, da sie kein Englisch spricht und ihr Übersetzungsprogramm auf dem Handy nicht gerade das Beste ist. Dennoch haben wir einen heiden Spass. Unterwegs stoßen wir dann plötzlich wieder auf Sebastians Truppe, dies scheint Jense wenig zu begeistern, denn Lili erzählt mir, dass Jense gerne noch mit wir weiter fahren würde. Da es Sebastian so weit auch gut geht und er seine Zufriedenheit äußert, düsen wir wieder in die dunklen Gassen der Stadt.
- Grenzstein der Provinzen: Sichuan, Yunnan, Ganzhou
- hier wird über die Zukunft bestimmt.
- Viele Figuren die die Geschichte der Stadt beschreiben, leider ohne Beschreibung
Irgendwann ist genug, wir halten vor einer Suppenküche und ehe ich mich versehe bestellt Jense zwei Schüsseln Nudelsuppe. Dann nimmt sie mich am Arm und zieht mich zu einem „Glaskasten“. Mir wird’s ganz anders… darin liegen Hühnerfüße in den Farben kohlrabenschwarz und gelb, Köpfe vom Gockelhahn incl. seines Hahnenkammes, Entenköpfe und andere für mich undefinierbare Körperteile. Sie fordert mich auf, dass ich mir etwas aussuche. Ich muss schlucken…geht’s ihr noch ganz gut? Habe ich heute nicht schon genug eklige Dinger gegessen? Reicht das nicht fürs erste Mal? Nein, Jense bleibt hartnäckig. Ich tippel vor diesem Schaukasten auf und ab, will etwas Zeit schinden, dann drehe ich den Spies um und fordere sie auf, sie soll uns was aussuchen. Jense hat wohl ihren Favorit, denn ohne zu zögern kauft sie zwei von den schwarzen Füßen. Na Mahlzeit. Mit diesen Krallen in der Hand kehren wir an den Tisch zurück, mittlerweile ist auch die Suppe fertig. Das Essen dieser Kralle, war so was von eklig, ich kann es gar nicht beschreiben….
Mit meiner Suppe bin ich höchstzufrieden und auch schnell fertig nur diese Hühnerkralle macht mir sehr zu schaffen. Jense kommt aus dem kichern gar nicht mehr heraus. Mit Hilfe ihres Smartphones teilt sie mir mit, dass wir nun zu einem weiteren Fahrradfreund gehen. Ich nicke, in meiner Hand immer noch den Hühnerfuß. Mein Gedanke: „super, dann kann ich ja den Fuß jetzt liegen lassen :-)“ Aber da habe ich nicht mit Jense gerechnet, denn sie bringt mir eine Tüte und packt mir den Fuß ein: „Hühnerfuß to go“ nennt man das vermutlich 😀
- Glaskasten
Wir gehen zum Fahrradfreund, ich halte artig meinen Hühnerfuß in der Hand, wo soll ich den nur hin tun?? Beim Fahrradfreund gibt es Tee und ich werde darüber informiert, dass Sebastian nun auch gleich kommt und wir dann in die Karaoke-Bar gehen. Das wird lustig 😀 Die andere Truppe trifft ein, wir gehen zum Singen, meine Hühnerkralle habe ich mittlerweile in meiner Jackentasche verstaut, doch immer mit der Angst, sie könnte da heraus fallen. Nun sitzen wir in der Bar, „Angela Merkel“ prostet uns fleißig mit Bier zu. Dieses wird in einem etwas größeren Schnapsglas, ausgeschenkt und hat vielleicht 2 Promille Alkohol. Wir singen und unterhalten uns. „ Angela Merkel“ heißt deshalb so, da er ein Fan von ihr ist.
- „Angela Merkel“
- Jense und Angela Merkel
- die zweite Englischlehrerin
Um Mitternacht kehren wir in Mr. Huans Wohnung zurück und fallen hundemüde in die Betten. Das war aber auch genug für heute. Den Hühnerfuß konnte ich auf dem Weg in seine Wohnung, geschickt entsorgen 😉

Hier kommt nun noch Sebastians Abend, bzw. die wenigen Stunden als ich mit Jense durch die Stadt sauste:
Sehr spannend war es nicht. Im wesentlichen sind wir durch die Straßen gewandert und ich habe mich mit der Englischlehrerin unterhalten. Als unsere Gastgeber berichteten, dass die Landschaft und das Wetter bis Kunming eher so bleiben haben wir uns definitiv zum Bus entschlossen. Meine Begleiter haben laufend telefoniert um die jeweiligen Abfahrtsorte und möglichen Ziele für eine Busfahrt ausfindig zu machen.Wir haben so z.B. unsere Weiterfahrt ausgearbeitet und ein paar Worte über unsere jeweiligen Ländern gesprochen. Irgendwann war „zufällig“ ein weiterer Radler in der Gruppe. Er stellte sich als wahrer Deutschland und Angela Merkel Fan heraus. Er wusste viel über Fußball, die Autos und dass Deutschland Nr. 1 in Europa sei. Super, da hatte ich nichts hinzuzufügen! Als ich schon neidisch hörte, dass Barbara Nudelsuppe gegessen hatte, gab es dann für unseren Trupp auch noch eine. Dann sind wir schließlich auch zu Karaoke-Bar gelaufen.