Leinen los

Es ist kurz nach 5 als wir aufstehen. Es ist noch dunkel doch die ersten Tuk Tuks stehen schon wieder bereit um die ersten noch sehr schlaftrunkenen Touristen zum großen Angkor Wat zu bringen. Dort soll es sehr schön sein bei Sonnenaufgang. Wir hatten uns dies erspart, da sich dort wohl die Touristen gegenseitig auf den Füßen herum trampeln. Da genießen wir doch lieber unser Bett 🙂
Nachdem wir alles eingepackt haben steigen wir um kurz vor 6 auf die Räder und radeln durch die fast noch menschenleere Stadt zum Bootsanleger. Dieser liegt etwa 15 km außerhalb von Siem Reap und so radeln wir durch die Vorstadt und über Land, wieder an ganz verarmten Bambushütten vorbei. Es liegt ein unangenehmer Geruch in der Luft. Eine Mischung aus Biomüll, Lagerfeuer, totem Fleisch und Fisch. Mir wird schlecht. Auf nüchternen Magen ist das zu viel. Endlich erreichen wir den kleinen Hafen. Wir haben noch etwas Zeit und so sucht Sebastian noch etwas zu essen. Man weiß nie wie lange die Fahrt dauern wird, normalerweise 7-8 Stunden in der Trockenzeit. Da wir aber schon ganz andere Schauergeschichten gelesen hatten, von wegen Schiff brennt, Schiff läuft auf Sandbänke auf und bleibt dort für längere Zeit stecken oder das Schiff hat einen Motorschaden und muss auf Ersatz warten. All solche Dinge, da wollen wir zumindest nicht verhungern 😀
Um 7 Uhr wurde uns gesagt sei Abfahrt, doch um 7 Uhr kommt das Boot erst einmal an. Ganz viele Treppenstufen müssen wir unser Gepäck und die Räder hinab tragen, dann wird alles im hinteren Teil des Bootes und auf dem Dach verstaut. Es ist ein ganz simples Boot. Sehr schmal und lang, Stühle gibt es keine, man sitzt an den Seiten auf einer langen Bank. Wir suchen uns einen Platz im vorderen Teil des Bootes, um nicht zu nah am Motor zu sitzen, denn dieser ist sehr laut. Wie sich später heraus stellt ist sogar eine Unterhaltung mit dem Gegenüber kaum möglich, da man nur am schreien ist, damit der andere einen versteht. Das Boot füllt sich schnell mit Touristen, dies nutzen die einheimischen Frauen um für absolut überteuerte Preise Essen an den Mann zu bringen. Kurz vor 8 starten wir dann endlich, doch weit kommen wir nicht. Nach ca. 5 – 10 Minuten drehen wir wieder um und fahren zurück. Was ist denn jetzt los? Wahrscheinlich haben wir noch ein paar Reissäcke vergessen. Wir legen wieder im Hafen an und warten und warten. Dann endlich taucht der Bootsfahrer wieder auf, einen großen Rucksack auf dem Rücken, gefolgt von einer jungen Dame. Ein Raunen geht durch das Boot, die Madam hat es wohl nicht zeitig geschafft. Wir hatten ja nur schon 45 Minuten Verspätung. Um halb 9 können wir dann endlich los.
Wir schippern den Fluss entlang und gelangen auf den Tonle Sap. Tonle Sap heißt so viel wie Großer See. Und tatsächlich ist der Tonle Sap der größte See ganz Süd-Ost-Asiens.

Der Tonle Sap fließt bei der Hauptstadt Phnom Penh in den Mekong. Zumindest in der Trockenzeit tut er dass, denn wenn zur Regenzeit der Mekong gewaltig anschwillt kehr sich die Fließrichtung des entwässernden gleichnamigen Flusses um und der Mekong füllt den See auf. Dieser dehnt sich dann von ca. 2500 km² Fläche auf 10.000 km² aus. Auch die Tiefe steigt von 2,5m auf 14m an. Dies ist unvorstellbar viel Wasser. Grob Überschlagen führt der See dann gut 22 mal so viel Wasser wie in der Trockenzeit, es fließen ca. 134*10^12 (die Zahl 134 und 12 Nullen) Liter Wasser in den See. Wenn der See wieder kleiner geworden ist, beginnt die große Fischsaison. Der See gehört (noch) zu den fischreichsten der Welt! Die unzähligen kleinen Fischerfamilien hohlen dann, zur Zeit der Fischwanderung in den Mekong für ca. 14 Tage pro Stunde 30 Tonnen Fisch aus dem See, natürlich Tag und Nacht! Fisch liefert wohl über 75% des in Kambodschas konsumierten Proteins! Die große Bedeutung des See bzw. des Fisches spiegelt sich auch in den Reliefs am Bayon wieder. Sorgen für die anderen 25% die Touristen? Dieses Schauspiel der Seeausdehnung bzw. Fließrichtungsumkehrung wird sich wohl im lauf der nächsten Jahrzehnte stark ändern, da in Laos, Thailand und China über 60 Staudämme am Mekong geplant sind. Die (56?) in Laos sind natürlich auch von den Chinesen bezahlt, gebaut und genutzt versteht sich!

Ein Problem stellt mittlerweile die Wasserhyazinthe dar. Diese breitet sich immer mehr auf der Oberfläche des Sees aus und entzieht dem Wasser Nähstoffe und Sauerstoff. Somit leiden andere Pflanzen und Fische darunter. Um die Fahrwege frei zu halten ernten die Frauen diese Pflanzen und flechten aus den Stielen verschiedenste Dinge wie z.B. Körbe, Stühle oder auch Hängematten. Dies Pflanzen könnte man wohl auch in Biogasanlagen gut verwenden, doch bis dahin ist es wohl noch ein langer Weg in Asien!20150126_0952_P1050453_TZ10
Wir überqueren ihn allerdings nur im nördlichsten Zipfel um dann wieder durch dichtes Gestrüpp in den nächsten Fluss abzubiegen, den Stoeng Sangke. Der Fahrweg ist gerade mal so breit wie das Schiff, nach ein paar Metern lichtet sich dann das Gewächs und wir sind auf einem breiten Fluss. Es geht vorbei an schwimmenden Dörfern. Die Häuser schwimmen meist auf Bambusflößen. Dieser Bambus muss jährlich gewechselt werden, da sonst die Häuser in der Regenzeit voll laufen würden.

Wir können die Menschen bei ihrer Arbeit sehen, wie die Kinder zur Schule „gehen“, wie sie ihrer Körperpflege nach gehen, wie sie mitsamt ihrem Haus umziehen und vieles mehr. Sie halten sich sogar Tiere, wie Schweine und Hühner. Alles möglich, selbst auf dem Wasser. Es ist ein buntes und munteres Treiben. Nach 4 Stunden Fahrzeit legen wir dann an einem kleinen Einkaufsladen an und machen eine halbe Stunde Pause. Die Toilette hinterm Haus besteht aus einem Plumpsklo. Steht man über dem Loch kann man unter sich das Wasser sehen und kleine Käfige mit denen sie Fische fangen. Na herzlichen Dank, diese Fische möchte ich aber nicht essen. Wenn in dem schwimmenden Scheißhaufen überhaupt noch ein Fisch lebt?
Wir genießen die kurze Pause um unseren Hintern zu entlasten. Die Bänke sind nicht gerade komfortabel. Wie mir Sebastian erst später erzählte ist ihm etwas „dummes“ passiert :-D. Ein weiteres Touristenboot lag schon am Lädchen an als wir kamen, somit fuhr es auch wieder vor uns ab. Während wir da so standen erzählte er, hatten die Einheimischen versucht, das Boot vom Anleger weg zu schieben. Es hatte sich wohl etwas verkeilt und so half er beim Schieben. Nachdem das Boot wieder frei schwamm kümmerten sich die Einheimischen nicht mehr darum, da bemerkte er, dass das Seil noch am Steg fest gemacht war. In Windeseile wickelte er es ab und warf es dem Boot hinterher. Ein Einheimischer sah dies und rief „No No No!“ denn es waren zwar alle Touristen an Bord aber der Bootsführer fehlte noch 😀 So warf schnell einer der Insassen, das Tau zurück und Sebastian machte es wieder am Steg fest. Ja da war der junge Mann wohl etwas zu voreilig 😀
Naja, nachdem unsere Pause rum war, setzten wir die Fahrt fort. Nun erwartete uns eine abenteuerliche Fahrt, denn der Fluss wurde nun ganz schmal und hatte viele viele Kurven. An manchen Stellen war das Wasser auch sehr seicht, mehrmals spürten wir wie das Boot oder die kleine Schiffsschraube den Boden berührte. Geschickt führte uns der Bootsfahrer hindurch. Die Fahrt erinnerte uns an eine Busfahrt in Laos. Als wir steile Berge mit unendlich vielen Kurven bezwangen. Unser Boot arbeitete sich auch nur langsam und vorsichtig voran, vor uneinsehbaren und engen Kurven hupte der Fahrer immer und sein Kollege hatte sich vorne an der Spitze platziert um ihm ab und an Kommandos zu geben. Nach weiteren 4 Stunden erreichten wir dann Battambang, wo wir unser ganzes Gepäck wieder steile Stufen hinauf tragen durften.
Es war eine tolle Bootsfahrt, die Landschaft und die vielen schwimmenden Dörfer, es war schön anzusehen. Es wurde nicht langweilig. Spannender bzw. noch reizvoller wäre bestimmt die Fahrt in der Regenzeit gewesen. Wenn man durch die vielen Mangrovenwälder fährt.


Dieses Mal hatten wir schon ein Zimmer reserviert, damit wir gar nicht erst lange Suchen müssen. Und so radelten wir direkt dort hin. Es liegt ziemlich weit außerhalb des Zentrums, mit laufen wird es da wohl nichts. Doch es ist sehr schön und unerwarteter weise haben wir nicht nur ein Zimmer sondern ein kleines Appartement = „Wohnzimmer“, Schlafzimmer und Bad.

2 Gedanken zu „Leinen los

    1. Barbara

      Hey du, wie geht es euch? Seid ihr alle gut gelandet? Wir haben gestern die Kaffeefilter gefunden 🙂 Und sind nun am experimentieren, aber irgendwie schmeckt der Kaffee jedes mal anders 😀 Aber Geduld Geduld, wir werden das Kind schon noch schaukeln 🙂

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