Kurz vor Sonnenaufgang werden wir von buddhistischen Klängen geweckt. Irgendein Singsang läuft über Lautsprecher in dem kleinen „Chef-Bungalow“ ab. Wir linsen aus unserem Moskitonetz-Zelt und können die Mönche beobachten wie sie sich zum Almosen-Gang bereit machen und dann in das nahe gelegene Dorf gehen. In der Morgendämmerung ein wirklich toller und vor allem sehr beruhigender Anblick. Wie in einer anderen Welt.Eine Oase der Ruhe! Kein Stress, keine Hektik, kein Lärm…Ruhe und Gelassenheit strahlen die Mönche aus.
Wir packen ein und machen uns abfahrbereit. Bis wir fertig sind, sind auch die Mönche wieder zurück. Wir bedanken uns bei ihnen und hinterlassen ihnen eine kleine Spende.
Wir radeln zurück auf die Hauptstraße und sind sehr gespannt was uns heute erwarten wird. Uns wurde erzählt, dass sich auf der Strecke mehrere Checkpoints befinden. Womöglich werden wir am ersten schon fest gehalten, da bekannt wurde, dass wir gestern nicht im LKW nach Dawei gefahren sind? Abwarten, wir werden sehen was passiert.
Wir radeln durch den burmesischen Dschungel. Die Landschaft erinnert uns an die Kardamom-Berge in Kambodscha, nur mit dem kleinen Unterschied, dass hier die Natur größtenteils noch unberührt ist und kein Kahlschlag herrscht. Auf dem sandigen Boden können wir riesige Elefanten-Fußspuren entdecken. Es muss sich um ein Arbeitstier handeln, denn die Spuren verlaufen kilometerlang immer schön rechts am Straßenrand. Zu Gesicht bekommen wir das gewaltige Tier allerdings nicht.
Die Straße geht stetig auf und ab. Teilweise sind Steigungen dabei, die haben es echt in sich. An einer Steigung müssen wir passen. Wir schaffen es nicht und müssen absteigen und schieben. Über 650m ging es mit einer 16% Steigung bergauf. Für diese Steigung wurde extra eine Überholspur angelegt, sogar aus Beton, doch an dieser ist ein Auto hängen geblieben 😀 Dumm gelaufen, sag ich da nur.
Wir können den ersten Checkpoint sehen, was wird nun geschehen? Ich habe ein bisschen ein mulmiges Gefühl als wir uns dem Posten nähern. Der Polizist sieht uns irritiert an, brabbelt irgendetwas in seiner Landessprache und lässt uns durch fahren. Keine Passkontrolle, keine komischen Fragen, gar nichts. Ja wirklich, gar nichts will er von uns. Verrückt, mit solch einer Reaktion haben wir nun gar nicht gerechnet. Aber nun gut, dann können wir ja weiter strampeln.
Einige Burmesen kommen auf ihren Mopeds vorbei, vereinzelte Hütten stehen am Wegesrand, wenn uns die Einheimischen sehen, dann blicken sie uns sehr erstaunt an, teilweise wirken sie etwas verängstigt. Wir haben den Eindruck wir sind die ersten Touristen hier. Die ersten freilaufenden Touristen! Alle anderen sitzen immer im Bus und fahren an allem vorbei. Doch wenn man ihnen zulächelt oder gar stehen bleibt um etwas zu kaufen, verschwinden die Hemmungen und sie lächeln mit. Wenn dann Sebastian seine Sprachkenntnisse in burmesisch trainieren will, bricht zu allererst schweigen aus, dann kommen fragende Blicke und danach folgt großes Gelächter. Denn auch hier ist die Betonung der einzelnen Worte sehr wichtig und diese beherrscht Sebastian (noch) nicht. Da denken sich die Einheimischen wohl, welche Sprache spricht der denn?? 😀
Doch sie sind sehr freundlich und des öfteren hören wir ein „Welcome to Myanmar!“. Wir fühlen uns wohl in diesem Land. Allerdings nimmt mein Wohlbefinden ein rasches Ende, als uns drei Männer mit Gewehren entgegen kommen. Sie steigen aus dem Gebüsch und gehen die Straße entlang. Mein Gedanke: „Oh mein Gott, die schießen hier wirklich!“ Wieder überkommt mich ein ungutes Gefühl. Irgendwann taucht wieder eine kleine Hütte am Straßenrand auf, einer kleiner Laden, an dem wir Pause machen und ein kühles Getränk zu uns nehmen, da kommen schon wieder zwei Männer, beide bewaffnet mit Gewehren. Sie setzen sich ebenfalls in den kleinen Laden und trinken etwas. Die Gewehre sehen so ähnlich aus, wie die auf der Kirmes am Schießbudenstand. Scheinbar jagen sie hier die Tiere oder doch Menschen?? Ich versuche ruhiger zu werden, mir nicht solch einen Blödsinn einzureden. Sebastian nimmt das alles sehr gelassen. Er sieht da überhaupt keine Problematik darin. Für mich steht allerdings fest: „ich werde heute so lange radeln, bis ich einen Tempel finde, in dem ich schlafen darf. Ich werde mich gewiss nicht heute Nacht irgendwo ins Gebüsch legen!“ dieser Gedanke treibt mich voran. Ich will nur noch raus aus diesem engen Tal. Doch nur durch zu sausen, das bringt auch nichts, denn die Hitze und das ständige Auf und Ab macht uns zu schaffen. So machen wir Mittagspause an einem Fluss. Wir kühlen uns im Wasser und essen Nüsse und Gebäck. Erfrischt und gestärkt geht es weiter.
Ich bin schon wieder etwas angespannt. Der Abend steht vor der Tür und wir wissen noch immer nicht, wann und wo der nächste Laden kommt, geschweige denn wo wir schlafen werden. Ich werde heute ja bis zum nächsten Tempel fahren. Komme was wolle. Just in diesem Moment, erreiche ich den Gipfel eines Anstieges und traue meinen Augen kaum. Vor mir liegt ein kleiner Laden, an dem Sebastian schon steht und auf mich wartet, und als ich nach rechts um die Kurve blicke sehe ich eine kleine, goldene Pagode auf dem Berg. Eine Pagode! Das heißt, hier kommt bestimmt ein Dorf und mit Sicherheit ein Tempel!! Der Laden entpuppt sich als kleines Restaurant. Der Besitzer fragt uns sogleich was wir essen wollen und da sagen wir dieses Mal nicht nein. Es gibt Hühnchen und Reis. Der Besitzer spricht ein wenig Englisch und so sagt er uns, dass in wenigen Metern ein Checkpoint kommt, hierbei fragt er uns auch, ob wir einen gültigen Reisepass dabei haben , und dann bestätigt er noch dass dahinter ein Dorf kommt, mit einem Tempel in dem wir mit Sicherheit schlafen dürfen. Mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen! So machen wir uns auf den Weg, mit dem Ziel „zum Tempel“. Am Checkpoint werden wir tatsächlich angehalten. Die Polizisten sind schon in ihrer Feierabend-Garderrobe, sprich: völlig ausgeleiertes Unterhemd (so dass die Brustwarzen heraus gucken) und einen Wickelrock. Sie notieren unsere Daten, dann erklären sie uns nochmals den Weg zum Tempel und wünschen uns einen schönen Abend. Das Dorf ist viel größer als erwartet. Wir müssen uns ein wenig durch fragen bis wir endlich den Tempel gefunden haben.
Dort angekommen, spielen eine Unmenge Kinder auf dem Hof, Mönche sitzen rings herum, unterhalten sich, spielen mit ihrem Smartphone oder mit den Kindern. Sofort wird auch hier der Chef geholt, als sie uns sehen. Dieser kommt und will unsere Pässe sehen, dann nickt er und zeigt uns wo wir schlafen und duschen können. Während ich dusche nimmt Sebastian Kontakt mit den Kindern auf. Er spielt mit ihnen Fußball auf dem Hof und hat sogleich ein paar kleine neugierige Freund die uns noch bis zur Dunkelheit begleiten und vor allem beobachten. Als es dunkel wird, werden die Kinder von den Muttis abgeholt und es kehrt Ruhe ein. Ein junger Mann kam noch am Abend auf uns zu. Er sprach ein paar Worte Englisch und erklärte uns, dass am nächsten Tag um 7 Uhr die neue Pagode eingeweiht wird. Zu diesem feierlichen Anlass wird sogar der Minister erwartet. Wir dürfen gerne dabei sein, wenn wir möchten. Natürlich möchten wir das!!
Wir machen es uns im Gemeinschaftsraum gemütlich. Hier wurde uns von ein paar Frauen ein Nachtlager errichtet. Mit Blick auf die Buddha-Statue. Hierbei ist mir ein großer Fehler passiert. Die Damen hatten Bast-Matten, an die Wand vor ein paar Einbauschränke gelegt, und zwar so, dass es für mich aussah, dass wir mit dem Kopf zu den Schränken liegen. Hierbei wäre der Buddha zu unserer linken Seite gewesen. Da uns die alleinige Bast-Matte zu hart erschien, legte ich dementsprechend unsere Isomatten darauf. Als wir da so lagen, kehrte der Ober-Mönch nochmals zurück und zeigte sofort auf den Buddha. „Oh my Buddha, da hatte ich uns falsch platziert!“ Wir müssen mit dem Kopf zu ihm schlafen. Schnell drehten wir die Matten um und der Mönch zog beruhigt von dannen.