Hauptstraße oder Nebenweg?

Um halb 7 strahlt die Sonne mit voller Wucht auf unser Zelt „AUFSTEHEN!“ um 8 sitzen wir auf den Rädern und strampeln schon wieder bergauf. Wir sind gerade mal 500 Meter weit gekommen da verwandelt sich die super Asphaltstraße in Schotter. Baustelle? Nein normale albanische Straßenverhältnisse abseits großer Hauptstraßen.

So reduziert sich unsere Geschwindigkeit nochmal ein wenig. Langsam arbeiten wir uns voran und wundern uns über den Verkehr. Im Vergleich zu gestern Abend ist heute ganz schön was los. 5 km weiter wissen wir warum. Mitten in der Pampa, am Straßenrand 5-6 Häuschen, befindet sich plötzlich ein kleiner Markt. Die Albaner haben ein paar Stände links und rechts der Straße aufgebaut und verkaufen Obst, Gemüse, Haushaltswaren, Schuhe, Kleider, Spielsachen und Hühner.

Es ist ganz schön was los dort. Wir kaufen Paprika und radeln weiter, die Steigung nimmt zu, würde mein Kilometerzähler noch funktionieren würde er mal wieder „Error“ anzeigen weil ich so langsam bin. Immer wieder kommen uns Transporter entgegen, voll gestopft mit Menschen. Alle wollen sie auf diesen Markt. So langsam verstehen wir warum. Sie kommen aus den abgelegensten Dörfern und wollen nun einkaufen gehen. Bis in die nächste Stadt wäre viel zu weit.
Wir schaffen uns höher und höher. Sie sind gerade dabei die Straße breiter zu machen und vielleicht auch irgendwann mal zu asphaltieren. Allerdings sollten sie vorher ihre Berghänge befestigen, denn von diesen rieseln immer wieder Steinchen hinab. Zumindest waren es heute nur Steinchen, an manchen Stellen liegen riesige Brocken oder gleich der ganze Hang.
Wir erreichen eine kleine Hochebene. Bergwiesen, Landwirtschaft, alte Bunker und Häuschen und ein Schild „albanische Perle der Natur“. Dahinter sollte wohl gerade ein Hotel entstehen. Wirklich sehr schön!
Wir kommen an einen Abzweig, laut unserer Karte biegt nun die „Hauptroute“ nach rechts ab und eine deutlich kleinere aber kürzere Straße nach links. Wenn man nun an der Kreuzung steht, will man das nicht so recht glauben, denn die linke Straße sieht deutlich besser aus.20150623_1052_IMGP7596_K-30 So entscheiden wir uns für diese und rollen bergab in ein kleines Tal. Auch hier wird die Straße komplett neu ausgebaut. Es geht sehr lange bergab, doch an saußen mit 60-70 kmh ist nicht zu denken. Max. 20 kmh, damit man noch rechtzeitig abbremsen kann wenn ein dicker Stein im Weg liegt. Im Tal angekommen ist es Mittagszeit, dies melden uns auch unsere Mägen und so machen wir erst einmal Mittagspause, ehe es dann wieder bergauf geht.
Auch hier hat es die Steigung wieder in sich (ca.12 %). Es ist der reinste Balance-Akt. Bei 3 kmh das Gleichgewicht halten ist nicht ohne. Immer wieder rutscht das Hinter- oder Vorderrad weg, da ein Stein ungeschickt im Weg liegt. An manchen Stellen ist die Fahrspur auch nur 50 cm breit, dann folgt schon ein tiefes Schotterbett. Großartiges zick-zack-fahren ist also auch nicht möglich. Es ist anstrengend, aber immerhin haben wir keinen Verkehr! Die Autos die wir sahen konnten wir an zwei Händen abzählen. Oben angekommen werden wir mit einem wunderschönen Blick belohnt. Wir können nach Macedonien blicken.20150623_1455_IMGP7613_K-30 Erst einmal geht es relativ flach weiter ehe es dann bergab an einen Fluss führt. Unterwegs treffen wir drei junge Männer. Sie stehen am Straßenrand mit ihrem Auto und rauchen. Einer von ihnen kann Deutsch, da er ein Jahr in Hannover lebte. Seine Abschiedsworte waren: „Scheiße Straße noch 10 km! Dann gute Straße!“ Vielen Dank für diesen Hinweis, dann ist das ganze Geracker ja absehbar. Langsam rollten wir bergab. Es war anstrengend und zermürbend, für Mensch wie Fahrrad. Aus scheiße 10 Kilometer wurden leider scheiße 15 Kilometer. Doch dann hatten wir es endlich geschafft und rollten wieder sanft auf der Landstraße dahin. In einem Dorf standen wir gerade am Straßenrand, als ein junger Albaner aus seinem Cafe heraus kam. In Englisch fragte er wo wir her kommen, wie es uns geht und lud uns dann kurzerhand auf einen Espresso ein. Da wir recht müde waren setzten wir uns dankend bei ihm nieder. Seine Englischkenntnisse, waren aber leider schon ausgeschöpft so war es dann vorbei mit der großen Kommunikation. Halbwegs gestärkt radelten wir weiter. Scheinbar sind aktuell Ferien im Land, denn überall sieht man Kinder und Jugendliche herum springen. Viele helfen ihren Eltern bei der Arbeit, andere hingegen sitzen gelangweilt herum und springen wie von der Tarantel gestochen auf wenn sie uns kommen sehen. Vor allem die Buben, sie nervten mich heute besonders. Wenn sie uns sahen wollten sie Hände abklatschen, so wie damals in Zentralasien. Spricht ja auch absolut nichts dagegen, wenn es ihnen Freude macht. Der Unterschied zu Zentralasien war aber der, dass sie dort in Reih und Glied an der Straße standen und die Hände austreckten, hier jedoch rennen sie mitten auf die Straße und wollen sich vor einem positionieren. Den einen hätte ich beinahe über den Haufen gefahren.
Hundemüde und hungrig suchen wir nach einem Nachtplatz. Irgendwie haben wir heute unsere Chance verpasst, denn überall stehen Getreidefelder und Gemüseäcker. Ziemlich schlecht um sich dort nieder zu lassen. Irgendwann entdecken wir dann doch noch eine kleine Wiese, direkt an der Straße. Nicht sehr idyllisch, aber die nehmen wir. Wir schieben die Räder dort hin und sehen am Ende der Wiese eine Kuh, zwei Erwachsene und ein kleines Mädchen. Damit es nicht am Ende heißt wir hätten hier nichts verloren und müssen gehen, suchen wir den Kontakt zu ihnen. Wir gehen zu ihnen hinüber. Sie begrüßten uns freundlich und wir fragten ob wir hier schlafen dürfen. Die Kommunikation war schwierig, Oma und Opa verstanden uns nicht so recht und wir sie nicht. Die Oma schüttelte nur immer wieder den Kopf, wenn wir auf die Wiese zeigten. Das komische war, dass sie dabei lächelte. Hää? Da fiel uns siedend heiß ein: in Albanien heißt Kopfschütteln „ja“ und Nicken „nein“!! Man Man, gar nicht so einfach. So wie wir sie verstanden boten sie uns auch an mit zu ihnen nach Hause zu kommen, doch das war uns heute zu anstrengend und so lehnten wir ab. Der Mann machte uns mit Gestik noch deutlich, dass wir ein paar Meter weiter aus dem Bach, das Wasser trinken könnten. Okay, das ist super, haben wir verstanden. Oder etwa doch nicht? Denn Sebastian nickte hierbei 😀 Und das nicht nur einmal. Wir entschieden uns „okay okay“, oder „no problem“ zu sagen, anstatt zu nicken oder Köpfe zu schütteln. (es ist verdammt schwer beim ja sagen mit dem Kopf zu schütteln) Da sind wir auf der sicheren Seite. Lachend zogen Oma, Opa und Enkelin von dannen, die Kuh blieb. Die holte der Opa zur Dämmerung ab, im Schlepptau drei junge Kerle. Einer von ihnen sprach perfekt Englisch, dies habe er auf einem türkischen College gelernt. Sie sagten uns nochmals, dass alles gut ist, dass wir hier sicher wären, das Wasser hinten am Bach trinken könnten und uns melden sollen wenn etwas ist oder wir etwas benötigten. Mit einem freundlichen gute Nacht gingen sie nach Hause, dieses Mal auch die Kuh.20150623_1908_IMGP7617_K-30

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