Die Friedensfahne wurde gehisst. Alles ist wieder in bester Ordnung, der Haussegen wurde wieder gerade gerückt und so radeln wir frohen Mutes und guter Laune an der Sulm entlang. Heute sind wir die absoluten Radwege-Nutzer. Zuerst der Sulm-Radweg, dann weiter auf dem Mur-Radweg. Der Weg ist komplett flach und kein Verkehr.
Wir haben genug Zeit und so macht es uns ausnahmsweise nichts aus, dass der Radweg völlig zick zack verläuft und wir es auf der Hauptstraße kürzer und direkter haben könnten. Wir genossen die leeren Wege sehr, am Wochenende und in der Urlaubszeit ist hier bestimmt der Teufel los. Wir befinden uns auf dem Weg nach Graz. Helene, wir hatten sie in Kambodscha kennen gelernt, lud uns damals nach Graz ein. Sie meinte, wenn wir dort vorbei kommen sollten, dann können wir gerne bei ihr wohnen. Nun war es so weit, doch wie sich nun heraus stellte, ist Helene genau zu dieser Zeit im Urlaub. Doch das soll kein Problem sein, wir dürfen trotzdem kommen.
Unterwegs trafen wir noch auf Rob, einen Belgier, auch er ist mit dem Rad unterwegs. Er wollte wissen wo wir her kommen. Er würde uns ansehen, dass wir schon länger unterwegs seien. Ich will wissen warum uns das neuerdings jeder ansieht. Es sind doch wirklich so viele andere Radler unterwegs. Sein Kommentar: unsere Räder und Taschen seien „schmutzig“ und wir hätten uns so weitläufig auf unserem „Rastplatz“ verteilt, das machen nur welche, die lange unterwegs sind. Aha… Na wenn das so ist. Ein Rätsel bleibt es uns immer noch.
Als wir am Nachmittag in Graz ankommen, stehen wir etwas planlos auf dem Hauptplatz vor dem Rathaus herum. Zwei ältere Männer sehen uns neugierig an, einer von ihnen traut sich zu uns. „Entschuldigung, darf ich fragen wie lange ihr schon unterwegs seid?“ Das gibt es doch nicht, schon wieder Einer. Er konnte uns keine speziellen Details nennen, weshalb er uns das ansah. Komisch. Irgendetwas müssen wir ausstrahlen. Wir werden schon noch dahinter steigen.
Wir sehen uns ein wenig in Graz um, dann fahren wir zum Kultur- und Kunstverein um dort auf Helenes Freunde sowie deren Bruder zu stoßen. Wir sind überrascht als wir dort ankommen. Kunstverein, was stellt man sich schon unter einem Kunstverein vor. Ein großes, lichtdurchflutetes Atelier in dem sich Künstler austoben, ihre Werkstücke in Schaufenstern präsentieren und ggf. zu horrenden Preisen verkaufen. Aber nein, es gibt auch noch andere Kunstvereine, so wie der „Rote Keil“ in Graz. In einem Hinterhof befindet er sich und sieht im ersten Moment aus wie ein Schrottplatz. Aller möglicher Krempel liegt dort herum, es gibt drei Räume die ebenso voll gestellt sind und dazwischen findet man Sitzgelegenheiten auf denen sich die Künstler versammeln, zusammen sitzen, Kaffee trinken und plaudern. Wir werden gleich herzlich aufgenommen und dürfen uns umsehen. Es ist fantastisch!! Blickt man erst einmal über das Chaos hinweg, dann kann man viele tolle, originelle und witzige Dinge finden. Der Verein hat 20 Mitglieder, jedes Mitglied, hat sich dort seinen „Arbeitsplatz“ eingerichtet und kommt und geht wann er/sie will. Das gefällt mir 🙂 Kürzlich hatten sie ihr 3-jähriges Jubiläum gefeiert.
So etwas hätte ich auch gerne in meiner zukünftigen Wohngegend, doch wie findet man so etwas? Das bleibt mir noch ein Rätsel. Am Abend fahren wir mit Moritz (Helenes Bruder) in die Wohnung. Er hat den Auftrag erhalten uns ein Bett zuzuweisen 😀 Es handelt sich allerdings nicht um eine Wohnung, wir enden mitten in der Innenstadt in einem großen Haus. Helenes Mutter hatte es vor 5 Jahren gekauft und renoviert. Jetzt werden ein paar Wohnungen vermietet im Rest wohnen sie selbst. Wir sind überrascht als wir den Innenhof sehen, er hat sogar einen Garten und der große Walnussbaum spendet wunderbar Schatten so dass man am Mittag gemütlich auf der Dachterrasse verweilen kann. Wir bekommen alle Räumlichkeiten gezeigt, dürfen ein Zimmer beziehen, erhalten einen Hausschlüssel und dürfen tun und lassen was wir wollen. Mensch ist das toll!!
3 Nächte bleiben wir, erkunden die Stadt, treffen uns mit einem Freund von Helene, ruhen uns aus und genießen das herrliche und ruhige Ambiente im Innenhof, direkt in der Großstadt.
Sebastian hat leider am ersten Tag in Graz mit einem fetten Bienenstich zu kämpfen. Momentan sind diese Biester sehr aggressiv. In Albanien ist er auf eine Biene getreten, diese stach ihn dann vor lauter Wut in den Fuß. Als wir auf dem Weingut bei Fam. Kumar verweilten wurde er direkt neben dem Bauchnabel von einer Biene gestochen. Drei Tage später, am Bled See, stach mir eine Biene unverhofft in den Oberarm und als wir nun kurz vor Graz waren flog Sebastian eine Biene in das Trikot und stach ihn in die linke Brust. Über Nacht schwoll seine Brust dann so sehr an, dass er nahezu einen Büstenhalter hätte tragen können mit der Körpchengröße B!! 😀 Kortisonsalbe linderte die Symptome, doch auch noch zwei Tage danach ist seine Brust rot und leicht schmerzhaft. Hoffentlich war es nun das letzte Mal! Nun ist ja mal gut für die nächsten 20 Jahre!! In Graz wimmelt es gerade nur so von Greenpeace und Global 2000 Aktivisten. Sie quatschen die Leute auf der Straße an und wollen sie animieren beizutreten und sich wie im Falle von Greenpeace gegen das Bienenstreben einzusetzen. Sebastian sagte zu einer dieser jungen Damen: „Diese Bienen, die können mich mal. Die haben mich schon so oft gestochen in den letzten Tagen.“ Da meinte das junge Mädel: „Sei froh dass sie dich noch stechen!“ Sie hat ja recht! Was machen wir ohne die Bienen. Doch in diesem Moment war die Antwort einfach völlig unpassend 😀
Graz war ganz nett anzusehen, ist aber absolut ähnlich der deutschen Städte. Mich erinnerte es ein wenig an Heidelberg, nur das es noch größer ist! Im Großen und Ganzen empfand ich es dort recht chaotisch, da überall Straßenbahnen, Autos und Radfahrer unterwegs sind. Doch es war toll den Kunstverein kennen zu lernen und zu sehen wie man mitten in der Stadt leben kann. Wann bekommt man so etwas schon mal zu Gesicht. Vielen lieben Dank Helene für die Einladung und Danke an Familie und Freunde die uns herzlich aufnahmen!