So ein abscheulicher Tag…

Eigentlich schreibe ich jeden zweiten Abend unser Tagebuch, gestern wäre es mal wieder an der Zeit gewesen, doch ich war nicht in der Lage dazu. Vielleicht war es besser so, da hätte wahrscheinlich nur darin gestanden: „Scheiße, Scheiße und nochmals Scheiße!!!“

Gestern war aber auch ein „Scheiß Tag“. Aber nun von vorne. Die Nacht war wieder mal ziemlich unruhig, zumindest für mich. Ich kann nicht sagen warum, ich fand einfach nicht in den Schlaf. Dementsprechend war ich hundemüde, als Sebastian topfit aus dem Zelt sprang und das Frühstück einläutete. Ich stand dennoch mit ihm auf und wir begannen den Tag wie immer, um 9 Uhr waren wir abfahrbereit und radelten nach Balichi zum Issyk-Kul. Hierbei hatten wir es mit Gegenwind zu tun. Nach ca. 30km bin ich schon wieder reif für eine Pause, wir finden ein schönes Plätzchen, mit Blick auf den See.

Es wehrt nicht lange, da kommt ein junger Franzose zu uns. Er ist zu Fuß unterwegs und anstatt alles auf dem Rücken zu tragen, so wie es alle anderen Rucksacktouristen tun, zieht er einen Hackeporsche hinter sich her ( so ein Oma-Wägelchen) Wir unterhalten uns sehr lange mit ihm, er wird heute hier bleiben und auch die Nacht hier verbringen. Da wäre mir auch sehr danach, doch wir wollen noch ein paar Kilometer zurücklegen. Der Winter sitzt uns im Nacken, wenn wir zu spät nach China einreisen, können wir bestimmte Gegenden nicht mehr beradeln, da dort dann Schnee liegen wird. Also verabschieden wir uns vom Franzosen und radeln weiter. Die Landschaft ist super, vor allem mit dem herbstlichen Laub. Es leuchtet von weitem und sieht einfach traumhaft aus!

Die Straße ist weniger toll, immer wieder Schlaglöcher und Asphalt der einen völlig ausbremst, hinzu kommen die Autofahrer. Es ist ein Kraus und versetzt uns völlig in Stress. Müde strampel ich Sebastian hinterher und hege sogar schon unschöne Gedanken gegenüber der Autofahrer. Sebastian ist ebenfalls sichtlich genervt, was in der Regel äußerst schwierig ist!!!!!

In einer Ortschaft gehen wir einkaufen, während wir im Laden stehen, kommt ein „schwedischer Iraner“ auf seinem Rad daher. Seine Eltern sind Iraner, er lebt aber mit ihnen in Schweden 😉 Uns fehlen die Worte, als wir sein Gepäck sehen und hören wo er schon war oder wo er noch hin will. Er hat lediglich zwei kleine Satteltaschen und eine Rolle als Gepäck dabei. Verrückt, wie unterschiedlich doch alle reisen. Da fühlen wir uns mal wieder wie ein Schwerlast-Transport 😀 Wir unterhalten uns lange Zeit mit ihm, unterdessen kommt ein Opa auf uns zu. Er fragt das Übliche: Wo wir her kommen und wo wir hin wollen. Er hat ziemlich wenig Zähne im Mund und eine außerordentlich feuchte Aussprache. Dann geht er wieder davon. Kurze Zeit später kommt er zurück freut sich, dass „Hitler kaputt“ ist und schnippt sich mit dem Finger mehrmals an den Hals. Wir lehnen ab, er schüttelt mit dem Kopf und kann dies nicht verstehen, er zieht wieder von dannen. Keine 5 Minuten später steht er schon wieder bei uns, dieses Mal mit einem Brot in der Hand. Er schenkt es uns, da der Iraner natürlich keinen Platz mehr für ein Brot hat müssen wir es einpacken. Das Brot war wohl ein „Türöffner“, denn der Opa fragt uns wieder ob wir nun mit schnäpseln wollen. Wir lehnen wieder dankend ab, er zieht davon. Wenige Minuten später steht er erneut bei uns und hält eine Flasche Schnaps in der Hand. Er wird richtig aufdringlich, rückt mir sehr dicht auf die Pelle, was mir angesichts seiner feuchten Aussprache sehr unangenehm ist und will mir immer wieder die Flasche in die Hand drücken. Es ist der Moment wo wir beschließen unsere Unterhaltung mit dem schwedischen Iraner aufzulösen. Er fährt in die entgegengesetzte Richtung weiter, wir schicken ihn zum Franzosen 😉 Wir verlassen ebenso das Dorf, rollen bergab, überqueren einen Bach, auf der anderen Seite geht es wieder hoch. Sebastian ist wieder vorne weg, 4 junge Männer (ca.15 Jahre alt) stehen an der Straße, sie kommen scheinbar gerade vom Angeln, und siehe da, als Sebastian an ihnen vorbei saust, werfen sie ihm einen Stein hinterher. Er ist jedoch so schnell, dass er es gar nicht mitbekommt. Ich jedoch sehe, wie sich einer der Jungs wieder bückt und den nächsten Stein aufhebt, der wohl für mich gedacht ist. So lege ich eine kleine Vollbremsung hin und komme 2 Meter vor ihnen zum Stehen. Da ich hundemüde bin, mich den ganzen Tag die Autofahrer und der Straßenbelag genervt haben, vor wenigen Minuten der angesäuselte Opa meine Nerven strapazierte und ich nun diese Steinwerfer sehe, stehe ich so ziemlich unter Strom. Verbal fahre ich sie an und fordere den Jungen auf den Stein weg zu werfen. Angesichts seines dreckigen Grinsens verbessert sich meine Laune nicht, ich rolle noch ein Stück auf ihn zu und erschrecke selbst über meinen Tonfall. Er scheinbar auch, denn der Stein geht zu Boden. Lustigerweise wirft er ihn nicht weg sondern legt ihn ganz sachte nieder. Nochmals gebe ich verbale Schüsse ab und fahre dann davon. Sebastian ist ganz irritiert, hat er das Ganze doch nicht so recht mitbekommen, da er schon so weit weg war. Umso mehr ärgert er sich nun darüber. Wenn er es mitbekommen hätte, hätte er sich die Bande gepackt. Voller Wut im Bauch fahren wir weiter.

Ein kleiner Pass steht an, laut Landkarte können wir diesen umfahren, jedoch auf schlechteren Wegen. Reisende hatten uns aber berichtet, dass sich dieser kleine Umweg lohnen würde. Also biegen wir ab, auf einen Schotterweg. Es ist mittlerweile nach 18 Uhr. Eigentlich haben wir um diese Zeit schon unser Nachtlager gefunden, doch heute hapert es irgendwie. Auf Sebastians GPS ist ein „Campingplatz“ markiert, ganz vorne am See. Da wollen wir hin und so radeln wir über die Schotterpiste und erinnern uns an die Zeit auf dem Pamir-Highway. Immer mehr sind wir genervt über diese dumme Idee, diesen Umweg gewählt zu haben. Der See lässt nämlich auf sich warten und als hätten wir nicht schon genug, habe ich einen schleichenden Platten am Hinterrad. Wir pumpen nochmals auf und radeln weiter. Es wird dämmrig und zu guter letzt ist es dunkel, als wir endlich, um 19 Uhr, eine verlassene Strandbar ausfindig machen. Diese wird unser Nachtlager sein. Ich finde es ziemlich unheimlich, da sich im Dachgebälk Vögel eingenistet haben, die nun alle ihr Nest verlassen als wir kommen. Ein wildes Geflatter ringsherum. Wir bauen schnell das Zelt auf und kochen etwas. Dann huschen wir ziemlich verärgert ins Zelt. Einerseits regen wir uns über unsere dumme Idee, den Umweg genommen zu haben auf und zweitens sind wir enttäuscht über die Kirgisen. Wir fühlen uns nicht willkommen in diesem Land.

Das ist übrigens mein neuer Begleiter. Ich habe ja so wenig Gepäck 🙂 Es ist ein Allzweck-Stock! Er dient perfekt als Fahrradständer, der andere macht die Grätsche, oder ist eine perfekte Waffe. Jeder Rüpel bekommt ihn ab sofort über die Ohren gezogen 😉

neuer Fahrradständer, der andere macht die Grätsche

neuer Fahrradständer, der andere macht die Grätsche

2 Gedanken zu „So ein abscheulicher Tag…

  1. Daniel

    Ich dachte ihr seid in einer Friedesmission unterwegs oder wenigstens friedlich gesinnt. Jetzt rüstet ihr euch schon mit gefährlichen rindenlosen (gewichtsoptipierten) Stöcken, um friedliche Steinewerfer zu vermöbeln und schnapstrinkende Zahnlose auf den Pfad der Tugend zu weisen.
    Die Welt geht darnieder.

    1. Sebastian

      Bei den Schnappstrinker hat wohl alles keinen Sinn, außer wahrscheinlich mal die Preise zu erhöhen. Ich habe schon mehrmals beobachtet, dass ein Opa 2×0,5l Vodka kauft und auf seinen 100 Som Schein (ca. 1,43€) noch Wechselgeld bekommt.
      Vor ein paar Tagen habe ich mir eine 15 minütige Schnitzeljagd mit den 5 Kindern durch das Dorf geliefert. Meine Schnelligkeit konnte aber leider den Orientierungsrückstand nicht wett machen. (Hatte ich auch nicht anders erwartet) Ob sie jetzt in Zukunft motivierter sind zum Steine werfen? Könnte sein. Ein paar mal haben allerdings die kleinen auch einen Rüffel von Ihren Eltern bekommen. Wenn ich es schon absehe wird der potentielle Werfer – wenn es der Verkehr/die Straße zulässt – einfach so lange angeschaut bis wir außer Wurfreichweite sind. Sie trauen sich ja immer erst wenn wir vorbei sind und nichts mehr sehen.

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