Weingut Kumar

Das feuchte Wetter der vergangenen Tage freute die Nacktschnecken, zu unserem Leidwesen sehr. Sie tummelten sich schon am Abend vor und an unserem Zelt, weshalb Sebastian unser Revier mit einem großzügigen Salzwall markierte und unsere Schuhe nahmen wir ausnahmsweise mit ins Zelt. Dieser Schneckenschleim ist einfach eklig und unglaublich klebrig. Am Morgen hatten es doch tatsächlich zwei Schnecken bis ans Zelt geschafft, der Rest hatte keinen Erfolg und löste sich leider Gottes im Salz auf. Ein paar anderen war es allerdings gelungen auf die höchsten Spitzen unserer Räder zu rutschen.

So befanden sich etliche Schleimspuren auf Sebastians Lenker sowie auf allen Satteltaschen. Unmögliche Viecher. Nachdem wir alles nach Schnecken abgesucht hatten und unser ganzer Krempel verpackt war machten wir uns auf den Weg und suchten in Ziri den Therma-Rest Händler für Slowenien. Denn wie schon bei mir, ist nun auch Sebastians Isomatte kaputt gegangen. Die gleiche unbequeme Blase hat sich nun auch bei ihm gebildet und wird von Nacht zu Nacht größer.
20150803_0846_P1080471_TZ10Den Händler hatte er im Internet gefunden, aber telefonisch nicht erreicht. Da Ziri auf dem Weg lag suchten wir ihn nun persönlich auf. Es war etwas schwierig ihn zu finden, da es sich hierbei um ein ganz gewöhnliches Wohnhaus handelte. Lediglich ein winziges Schild an der Hauswand bestätigte uns, dass wir richtig sind, doch leider war der Besitzer nicht zu Hause. Sebastian fragte die Nachbarn und wie sich heraus stellte ist er aktuell im Urlaub. Schade. So radeln wir wieder unverrichteter Dinge weiter. Drei lange Bergetappen stehen an. Das schöne hierbei, es sind ganz enge Straßen und der Wald ist so dicht, dass wir hauptsächlich im Schatten fahren. Das negative an der Sache: die Steigung beträgt durchschnittlich 9%! Es ist absolut mühsam. Zwischen den einzelnen Anstiegen gibt es Gott sei Dank auch mal flache Abschnitte. Dort können wir uns erholen oder gar schon fluchen, wenn wir den nächsten steilen Weg sehen. Es ist ein wahnsinnig anstrengender Tag. Viel zu sehen gibt es auch nicht, da wir die meiste Zeit nur durch Wälder radeln, die aktuell massiv ausgedünnt werden. Überall sieht man riesige Baumaschinen, die Bäume fällen oder die gefällten Stämme durchs Dickicht ziehen. Scheinbar muss hier auch mal ein Sturm gewesen sein, denn viele Baumkronen sind abgebrochen.
Am dritten und letzten langen Anstieg haben wir beide zu kämpfen, Sebastian weniger, ich dafür mehr. Es ist so steil, dass ich am liebsten abgestiegen wäre und das Fahrrad in die Ecke gestellt hätte. Doch was dann? Das hilft mir ja auch nicht weiter. So strampel ich mit 3 km/h hinter Sebastian her. Bei ihm sieht das alles so leicht und geschmeidig aus. Ich beneide ihn sehr. Endlich haben wir Lokve erreicht, ein kleines Skigebiet auf 1200 Metern über dem Meer. Von hier aus geht es nun rasant bergab in die Stadt Nova Gorice, sie liegt auf ca. 100 Metern über dem Meer und durch sie hindurch verläuft die Grenze. Ein Teil ist Slowenien, ein anderer, etwas kleinerer Teil gehört zu Italien. Ehe wir uns an die Abfahrt machen ruft Sebastian bei einem slowenischen Winzer an. Diesen hatten wir in Bosnien auf einem Campingplatz kennen gelernt. Damals hatten wir nur 3 Worte gewechselt, er schenkte uns einen Rotwein und lud uns ein, vorbei zu kommen wenn wir in der Nähe sind. Nun sind wir in der Nähe. Knappe 30 km trennen uns voneinander. Da es schon 17 Uhr ist würde es also mit einem Besuch und dem damit verbundenen Nachtplatz hervorragend passen. Doch leider kann Sebastian niemanden telefonisch erreichen. So rollen wir langsam bergab. Die Abfahrt dauert sehr lange und immer wieder halten wir an um die Hände vom ständigen bremsen zu lockern. In diesen kurzen Pausen probierte Sebastian es nochmals beim Winzer, doch nach wie vor ging niemand ran. Nach dem 5. Mal gaben wir auf und überlegten was nun. Wenn wir Nova Gorice erreichen, wollen wir eigentlich nach Norden in das Soca-Tal abbiegen, zum Weinhändler müssten wir weiter nach Westen radeln und einen Umweg einplanen. Wir wollen es riskieren und schlagen den Weg, welcher uns 2 km durch Italien führt, zu ihm ein. Kann ja sein, dass die ganze Familie auf dem Balkon sitzt und das Telefon nicht hört. Vielleicht sind sie ja doch da, ansonsten suchen wir uns dort einen Schlafplatz in der Pampa. Der Weg ist beschwerlich. Viele kleine aber knackige Anstiege, ebenso die Hitze die hier unten auf 100 MüM herrscht. Wir sind fix und fertig und haben kaum ein Auge für die schöne Weingegend die plötzlich vor uns liegt. Um halb 8 stehen wir dann vor dem Haus, mal sehen ob jemand da ist. Sebastian klingelt an der Tür. Kurz darauf sind Schritte zu hören. Super! Es ist jemand da. Ein junges Mädchen öffnet die Tür. Nein, die kennen wir nicht. Damals, auf dem Campingplatz, war ein anderes Mädchen dabei. Wir zeigen ihr den Zettel auf dem sie uns die Adresse geschrieben hatten. „Ist das deinen Mama?“ fragt Sebastian. Das junge Mädel wirft einen Blick auf den Wisch, lacht und bejaht die Frage. Dann läuft sie ins Haus und ruft ihre Mutter. Keine Minute später erscheint die Mutter, sie sieht uns und fällt aus allen Wolken. Sie freut sich so sehr über die Überraschung und ist hin und weg. Wir dürfen duschen, bekommen sogar Abendessen gerichtet und unterhalten uns viel und lange. Als dann auch noch Herr Kumar von der Arbeit nach Hause kommt und uns sieht, ist er völlig von den Socken. Mit Herr und Frau Kumar sitzen wir bis tief in die Nacht zusammen, bekommen den ein oder anderen Wein serviert und unterhalten uns. Danila Kumar spricht perfekt Englisch, kein Wunder, sie ist ja auch Professorin für Sprachen. Sie ist sehr interessiert, hat viele Fragen und erzählt viel. Der Gesprächsstoff geht nicht aus. Doch die Müdigkeit gewinnt am Ende und dann dürfen wir sogar noch in einem Bett schlafen. Überglücklich fallen wir in die Federn, was für ein anstrengender Tag mit super Happy End. Heute saßen wir 6 Stunden im Sattel. Davon ging es 4 ½ Stunden nur bergauf, durchschnittliche Steigung 9%!!!

Am nächsten morgen wollen wir kaum raus aus den Betten, doch heute ist ein neuer Radeltag. Auf geht’s. Danila bereitet uns köstlichen Kaffee zu und wir frühstücken mit ihr. Ihr sind die Gesprächsthemen über Nacht nicht ausgegangen. Wieder unterhalten wir uns sehr lange, bzw. Sebastian unterhält sich, sein Englisch ist einfach besser. Ich tu mir selbst noch nach einem Jahr schwer, vor allem bei solch speziellen Themen. Da wüsste ich ja noch nicht einmal was ich auf deutsch antworten sollte 😀
Es ist schon fast 10 Uhr als es endlich Zeit wird aufzubrechen, da fragt uns Danila, warum wir nicht einfach noch einen Tag bleiben wollen. Wir könnten uns in aller Ruhe die Umgebung ansehen und am Abend noch etwas gemeinsames Unternehmen. Dieses Angebot schmeckt uns sehr gut. Die Familie Kumar ist uns sympathisch und mein Rücken schmerzt von den gestrigen Anstrengungen. So sind wir uns schnell einig und packen unsere Taschen wieder aus. Danila gibt uns einige Tipps was wir besichtigen können, dann ziehen wir los. Es ist eine herrliche Landschaft. Eine tolle Weingegend mit hübschen Dörfern. Italien ist nur 5 km, manchmal auch weniger, entfernt. Der italienische und mediterrane Tatsch ist zu sehen. Es ist toll! Leider ist es sehr diesig, ansonsten hätten wir bis zum Mittelmeer sehen können und die Berge in 50 km Entfernung bleiben uns auch verborgen. Auf unserer kleinen Rundfahrt treffen wir auf einige Touristen, unter anderem auf Deutsche. Mit einer Familie aus Bayern unterhalten wir uns lange, und noch viel länger mit einem Pärchen aus Balingen. So haben wir am Ende nur wenig entdeckt aber viel geplaudert. Auf dem Rückweg kehrt Sebastian dann noch bei einem Frisör ein. Jetzt hat er wieder den passenden Sommerschnitt.
Am Abend saßen wir wieder mit Herr und Frau Kumar zusammen und zeigten Bilder von unserer Reise. Ihre beiden Töchter waren froh um die willkommene Ablenkung, so konnten sie in aller Ruhe ihre Poolparty im Garten/Keller machen ohne ständig von den Eltern „besucht“ zu werden.

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