Zu dritt geht’s weiter

Um 7 Uhr holen wir Clive bei seiner Unterkunft ab, dann fahren wir mit der Fähre hinüber ans Festland.

Nach einem leckeren indischen Frühstück machen wir uns auf den Weg. Die Straßen sind klein, der Verkehr wird weniger und es ist schön schattig. Bis zur Mittagspause haben wir schon 70 km zu verzeichnen plus einen dritten Speichenbruch an meinem Hinterrad. Verflixt und zugenäht. Soll das nun jeden Tag so weiter gehen?? Wir finden einen kleinen Essensstand und machen 2,5 Stunden Pause. Sebastian führt die Reparatur durch. Langsam wird es eng, wir haben nur noch 5 Ersatzspeichen dabei. Warum passiert das ständig? Ich habe die Vermutung, dass es mit meiner Rohloff Schaltung zusammen hängt. Seit 3 Monaten spüre ich nämlich einen kleinen Defekt. Wir hatten damals die Firma Rohloff angeschrieben und gefragt was wir tun sollen. Diese meinten, es sei kein Problem. Wir könnten noch bis nach Hause radeln aber darauf achten ob sie Öl verliert und dieses dann ggf. nachfüllen. Öl-Verlust konnten wir bisher keinen feststellen, dafür vernehme ich zunehmend leichte Schläge am Hinterrad, vor allem beim Anfahren oder wenn ich schwer bergauf treten muss. Es ist schwierig zu beschreiben. Ich denke aber, dass dies evtl. Auswirkungen auf die Speichen hat und sie deshalb brechen, da zu viel Kraft auf sie ein wirkt. Keine Ahnung. Wenn es auf jeden Fall so weiter geht, müssen wir sehen was wir ab Istanbul machen. Abwarten….

Gegen halb 4 radeln wir weiter. Doch weit kommen wir nicht. Ein Anstieg von 500 Höhenmetern steht an. Wir würden min. 2 Stunden dafür benötigen, das ist zu viel für den heutigen Tag. Zudem soll es auf den nächsten 30 km keine Dörfer mehr geben.
Somit bleiben wir im letzten Dorf vor dem Berg. Wir suchen nach einem Nachtplatz und werden zu einer Unterkunft verwiesen. Diese ist aber so teuer, dass wir ablehnen. Die Frau verlangt für die Zimmer mehr als wir in Georgetown bezahlt haben!!!! So sitzen wir auf dem Marktplatz und denken über Plan B nach. Es gibt hier eine kleine Notfall-Ambulanz, ähnlich wie der rote Halbmond im Iran. Vielleicht dürfen wir dort schlafen? Eigentlich ist es egal wo wir liegen, Hauptsache wir können uns duschen. Wir fahren dort hin, doch alles ist abgeschlossen. Man muss eine Telefonnummer anrufen, falls man Hilfe braucht. Tolle Ambulanz!
So beschließen wir Plan C durch zu führen und dieser lautet: raus aus dem Dorf fahren und mal bei den letzten dort befindlichen Häusern nach schauen ob es da eine Möglichkeit gibt. Und die gibt es! Ein paar Leuten, die gerade auf Bänken vor ihren Hütten sitzen erklären wir, dass wir einen Nachtplatz suchen. Dass uns die Unterkunft im Zentrum viel zu teuer ist und das wir alles dabei haben, nur etwas Wasser benötigen zum Waschen. Kein Problem, wir dürfen bleiben. Schnell fahren wir nochmal zum Marktplatz und Essen zu Abend, dann kehren wir zurück.

Die Leute sitzen nach wie vor noch da, als sie uns kommen sehen, rücken sie Tische und Stühle zusammen, damit wir mehr Platz haben. Ein paar muslimische Frauen wollen unbedingt Fotos mit mir machen. Mir ist es unangenehm, da ich völlig verschwitzt bin und das Gefühl habe zu stinken. Doch dies scheint sie nicht zu jucken. Für ein Foto nehmen sie es zumindest in Kauf 😀
Wir richten alles ein und dann kommt es: Oh Schreck mein Reisepass und meine Kreditkarte ist weg. Jeden Abend hole ich sie aus der Tasche heraus und lege sie zu mir an den Schlafplatz, doch heute geht der Griff ins leere bzw. ich bekomme nur eines meiner T-shirts zu fassen. Zuerst denke ich mir gar nichts dabei. Kann ja vorkommen, dass der Bauchgurt die letzten Tage beim Packen tiefer gerutscht ist als sonst. Doch als ich tiefer wühle und nichts finden kann, werde ich unruhig. Wo ist er bloß? Ich leere die Tasche komplett aus. Doch da wo er immer ist, ist er nicht mehr. Ich kontrolliere alle anderen Taschen, ich kann nichts finden. Sebastian hilft mir bei der Suche auch er findet nichts. Meine Güte wie konnte das passieren. Ich bin völlig aufgelöst! Wo kann er nur sein?? Wann hatte ich ihn zuletzt in der Hand? Liegt er vielleicht im Hotelzimmer? Das er heraus gefallen und unter das Bett gerutscht ist? Sebastian bittet die Leute, bei denen wir heute schlafen, ob er ihr Handy nutzen dürfe. Er ruft im Hotel an und fragt ob etwas gefunden wurde. Die Frau am anderen Ende ist sehr kurz angebunden. „Nein, das Zimmer wurde gereinigt. Da war nichts! Tschüss!“ Sehr komisches Verhalten. Wir rufen mit unserem Notfall-Handy in Deutschland an und lassen die Kreditkarte sperren. Zwischenzeitlich hat Clive nochmals meine Taschen durchgesucht, kann ja sein, dass man selbst schnell mal etwas übersieht weil man davon überzeugt ist, dass es dort nicht sein kann. Doch auch er findet nichts. Ich bin völlig aus dem Häuschen. Wo sollen die Sachen sein? Wir versuchen zu rekonstruieren, doch wir kommen nicht weit, bzw. zu dem Entschluss, dass er eigentlich nur im Hotel liegen kann. Deshalb wollen wir Morgen nochmals dort anrufen und darum bitten, dass sie unter dem Bett nach sehen, denn da wurde gewiss nicht gereinigt. Und wenn die Dame wieder so unfreundlich ist, dann werden wir ihr schon auf die Sprünge helfen!!
Die Kreditkarte ist nun gesperrt, darüber muss ich mir vorerst keine Gedanken machen, wir haben noch die von Sebastian, was wir aber mit dem Pass machen? Das müssen wir noch überlegen. Wenn er im Hotel nicht mehr auftaucht werden wir wohl mit Clive nach Kuala Lumpur fahren und einen vorläufigen Pass beantragen müssen. Mein Bruder hat Gott sei Dank, zu Hause meinen Zweitpass liegen, den kann er Sebastians Mutter mitgeben, wenn diese uns in Istanbul besucht. Von daher ist eigentlich, wenn man es so sieht, alles halb so wild. Wir müssen lediglich unsere Route etwas ändern und mit ein paar unvorhergesehenen Geldausgaben rechnen. Dennoch bin ich zutiefst erschüttert und traurig. Wie konnte mir das passieren? Ich passe immer gut auf meine Sachen auf! Schon wieder müssen wir wegen mir etwas ändern! Vielleicht können wir nicht mehr bis Singapur fahren, da es zeitlich nicht langt? Momentan bin ich untröstlich, gehen doch mit diesem fehlenden Reisepass Erinnerungen „verloren“. Ich habe mir diesen Pass oft einfach nur so angesehen, wie ein Bilderbuch. Er sah toll aus, die vielen Kleber und Stempel darin, von Land zu Land wurden es mehr. Der iranische Visakleber auf dem ich mit Kopftuch abgebildet bin, wann hat man so was schon in seinem Pass kleben? Wenn ich ihn mir ansah, war ich immer ein wenig stolz auf mich: „Wow, das habe ich alles schon geschafft!!“ Und nun ist alles weg…. Ich kann es nicht glauben. Vielleicht hilft es eine Nacht darüber zu schlafen, vielleicht taucht er Morgen ganz unverhofft an einer ganz anderen Stelle wieder auf.

4 Gedanken zu „Zu dritt geht’s weiter

  1. Klaus

    Hallo, Barbara!

    Die Speichenbrüche müssen nicht unbedingt von Deiner Rohloff-Schaltung ausgehen!
    Ich habe letztes Jahr auf einer Tagesradtour einen Speichenbruch gehabt. Ich war dabei
    mit dem Hinterrad in ein verstecktes Loch gefahren. Ich habe das Rad in einem Fahrradgeschäft
    reparieren lassen. Der Mann dort fragte, wieviele Speichenbrüche ich schon gehabt hatte.
    Es war damals der zweite Speichenbruch gewesen. Er empfahl mir, im Falle eines weiteren
    Speichenbruches das ganze Hinterrad umspeichen zu lassen, weil die Serie von Speichenbrüchen
    dann kein Ende mehr nähme. Jeder Speichenbruch belaste die benachbarten Speichen stärker,
    sodass sie auch bald brechen würden.
    Bisher ist diese Umspeiche-Aktion bei mir nicht notwendig gewesen.
    Aber mein Rad wird ja auch nicht so stark belastet wie Eure Räder!
    Deine Speichenbrüche können auch einfach durch Materialermüdung entstanden sein.

    Klaus

    1. Barbara Beitragsautor

      An Ermüdung haben wir auch schon gedacht, aber ich denke es ist die Rohloff. Denn seit heute spüre ich schon wieder diesen Schlag am Hinterrad. Da ist irgendetwas locker. Mal sehen ob ich es mit der Schaltung noch nach Hause schaffe. Wir werden es die nächsten Tage bis Singapur beobachten. Wird es schlechter schreiben wir die Firma nochmal an. Vielleicht können sie was nach Istanbul senden. Abwarten.

  2. PETER BAUER

    Hallo Ihr lieben
    Liebe Barbara es ist ärgerlich das du deine Sachen verloren hast hoffentlich sind sie wieder aufgetaucht.Peter hatte am 10.4. auch seine gesamte Geldbörse verloren mit 120 .- und jeweils 13,. für Eintrittskarten für die Messe mit allem drum und dran Perso, Scheckkarte, Führerschein usw….. was man so alles als MANN im Geldbeutel hat. Ich wünsch euch trotzdem noch viele schöne Erlebnisse
    Eure Christine mit Peter aus Stuttgart

    1. Barbara Beitragsautor

      Es ist ziemlich ärgerlich! Doch ich hoffe für Morgen und die nächsten Tage nur Gutes!!! Das ich meinen alten Pass wieder in den Händen halten werde bezweifle ich noch, aber hoffentlich läuft mit dem Neuen alles glatt und wir können in 3-4 Tagen die Reise fort setzen. Daumen drücken!!! 🙂

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