Sind wir schon in Deutschland?

Die Nacht war erstaunlich frisch. Wir waren begeistert! Auch am Morgen hält die „Frische“ noch etwas an. Bei einer Frau, die gerade ihren Hof mit dem Gartenschlauch säuberte, füllten wir unsere Flaschen auf, dann ging es los. Wir radelten durch das flache Tal und staunten nicht schlecht über die großen und gut aussehenden Wohnhäuser.

Irgendwie waren wir in den vergangenen Wochen etwas anderes gewohnt. Die Häuser sahen sehr „deutsch“ aus, vielleicht lag es alleine daran, dass sie alle einen hübsch gepflegten Garten hatten, manche von ihnen mit großem Planschbecken für die Kinder, stattlicher Sitzgarnitur und Hängematte oder Hollywood-Schaukel. Vielleicht war es aber auch die alleinige Tatsache, dass vor jedem vierten Haus ein Auto mit deutschem Kennzeichen stand? Ging man nach den Nummernschildern, konnte man schnell den Eindruck haben in Deutschland zu sein. Die meisten Autos hatten ein deutsches, österreichisches oder schweizerisches Kennzeichen. Auch ein paar Skandinavier waren zu sehen, doch im Großen und Ganzen überwog Deutschland. Doch es saßen immer Einheimische hinter dem Steuer. Anscheinend sind sie gerade alle auf großen Familienurlaub.
Es folgte ein kurzer Anstieg, dann rollten wir hinab zu einem See. Laut einem Schild bietet er wohl alles was ein Urlauber so braucht: Entspannung, Sport, Kultur und Action. Die karge Landschaft hatte durch den See einen besonderen Reiz. Es sah schön aus, doch wir verließen den See alsbald um über einen weiteren kurzen Anstieg in die Stadt Livno zu kommen.

Es war zwar erst 11 Uhr, doch die Sonne brannte schon wieder erbarmungslos vom Himmel herunter, so beschlossen wir auf dem Marktplatz Pause zu machen. Nachdem wir uns halbwegs erholt hatten, rollten wir weiter, mit dem Ziel, ein schattiges Plätzchen zu finden. Auf einer Wiese, direkt am Straßenrand wurden wir fündig. Wir legten uns in den Schatten und schliefen erst einmal ein. Wir waren hundemüde und schlapp. Jetzt sind wir schon seit Monaten der Wärme ausgesetzt und wir dachten schlimmer als in Süd-Ost-Asien kann es nicht werden. Das stimmt auch, aber unseren Körper strengt es doch wahnsinnig an. Am liebsten würden wir hier liegen bleiben, doch dann kommen wir ja nie nach Hause. So rappeln wir uns um halb 3 wieder auf und strampeln weiter. Das Wasser geht uns schon wieder zu neige und es steht ein Anstieg an, wir müssen unbedingt etwas finden. Sebastian ist ein Stück voraus, als ich ihn einhole steht er an einem Gartenzaun und unterhält sich mit einem Mann, auf deutsch! Dieser läd uns herzlich in seinen Garten ein und lässt uns Wasser nehmen so viel wir wollen. Er hatte 8 Jahre in Deutschland gearbeitet und spricht gut Deutsch. Er berichtet uns ein wenig über die Geschichte Bosniens und erzählt, dass in den Dörfern kaum mehr junge Menschen leben. Wie bei uns, denken wir uns da. Alle ziehen in die Städte oder verlassen komplett das Land. In der Region um Livno hat wohl in 80% der Haushalte mindestens ein Familienmitglied in Deutschland gearbeitet oder arbeitet dort noch. Na das glauben wir ihm gerne, diesen Eindruck hatten wir bei der Fahrt hier her ja auch schon gehabt. Passend hierzu ist auch, das Sebastian beim Geldwechseln in der Bank von einer Frau auf Deutsch angesprochen wird, sie war in Münster, ihr Sohn arbeitet dort noch. Unser Gastgeber, ist ein netter älterer Herr und wir dürfen so lange in seinem schattigen Garten bleiben wie wir wollen. Wir hätten dort sogar schlafen dürfen, doch wir müssen heute noch ein wenige Strecke machen. Er warnt uns eindringlich davor, dass wir am Pass oben nicht die Straße verlassen dürfen, da es dort noch Minen aus dem Krieg gibt, dann gibt er uns noch einen Tip zum Übernachten, bietet uns noch frische Zwiebeln aus seinem Garten an und wünscht uns Lebewohl.
Es ist halb 5 als wir weiter bergauf schnaufen, doch die Steigung ist angenehm und wir kommen gut voran. Am Pass entdecken wir dann jede Menge Schilder die vor Minen warnen, teilweise sind bestimmte Bereiche mit einem Leuchtband abgesperrt, und eine Tafel informiert darüber, wo sich noch Minen befinden können. Entlang der Strecke stehen einige Häuserruinen, teilweise wachsen schon aus ihnen große Bäume heraus.
Es geht wieder hinab in ein anderes Tal und wir finden die besagte Übernachtungsstelle. Ein kleiner See, Bungalows und ein 2-stöckiger Rohbau, ein paar Angler sitzen am Ufer. Hier könnten wir schlafen, das stimmt, doch wir haben nicht genug Wasser dabei und außer dem See können wir auf die Schnelle nichts finden. Also müssen wir wieder gehen und setzen die Fahrt fort. Wir erreichen ein paar Häuser und halten an. Während wir noch am Straßenrand stehen und uns überlegen bei welchem Haus wir nun anfragen und um Wasser bitten ruft ein junger Mann zu uns herüber. Er fragt ob wir Wasser und Hilfe brauchen. Gut erkannt! Die Wasserflaschen kann er uns auf jeden Fall füllen einen Schlafplatz anbieten allerdings nicht, da das Haus voll ist. Die ganze Familie ist zu Besuch. Normalerweise wohnt er in Schweden, schon seit 18 Jahren. Wir bedanken uns für das Wasser und fahren ein paar Meter zurück und bauen auf einer abgemähten Wiese unser Zelt auf. Beim Kochen hätte ich dann beinahe noch einen Busch- bzw. Grasbrand ausgelöst. Wie es dazu kam wissen wir auch nicht, auf jeden Fall entzündete sich zu Beginn des Kochvorgangs eine Flamme außerhalb des Kochers und wanderte zur Benzinflasche. Beherzt schüttete ich unseren kompletten Wassersack darüber aus und schlug mit meinen Schuhen auf die Flamme ein, Sebastian rückte mit weiterem Wasser an und so war alles schnell gelöscht doch unser Trink- und Waschwasser dahin. Naja, für den Abend reichte es noch, auch noch für einen Tee morgen früh und dann kommen wir schnell in die Stadt und können wieder auffüllen. Obendrein wissen wir ja nun auch wo der Schwede wohnt und wo er seine Wasserhähne hat 😀

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