Schlimmer geht’s immer

Nach wenigen Kilometern kommen wir an einer Tankstelle vorbei. Wir legen eine kurze Trinkpause ein, da kommt der Tankwart zu uns herüber. Er spricht Englisch und so erzählt er uns, dass es von Peshkopi aus zwei Straßen nach Kukes gibt. Die Östliche sei neu geteert und die Westliche, am Fluss entlang, sei in sehr schlechtem Zustand. Beide Straßen sind auf unserer Karte gleichwertig bezeichnet, nur die Westliche und scheinbar schlechtere ist anscheinend nicht für Wohnmobile geeignet, dafür sei es aber eine „schöne Route“.

Die alleinige Tatsache, dass die östliche Straße neu geteert ist, lässt uns leicht entscheiden. Dann lieber die Schlechtere, dafür weniger Verkehr. Ebenso erzählt er uns , dass er begeistert sei vom deutschen Mercedes. Es sei ein gutes Auto! Er habe 7 Mercedes, davon zwei in Form von LKW. Seine neueste Errungenschaft ist ein neuer VW Caddy. Von dem halte er allerdings nicht viel. Dieses Thema ist natürlich für mich wieder das gefundene Fressen. Ich sage nur: „es ist alles nur geklaut….“ Die Frage wie viel die Autos hier kosten überging er gekonnt.
Wir radeln weiter und landen im Städtchen Peshkopi. Es geht dort sehr geschäftig zu, es ist laut und unruhig und so überraschte es uns umso mehr, als wir in einer „Flanier-Meile“ landeten. Eine Fußgänger-Allee, gesäumt von vielen kleinen Cafes und einer Universität. Es ist so still dort, das meiste was man hört ist die Musik aus den Cafes. Hauptsächlich sieht man Männer flanieren oder Kaffee trinken. Es scheint wie in einem kleinen Paradies. Wir rollen langsam hindurch und kommen wieder in das normale städtische Chaos. Wir erledigen unseren Einkauf und sind immer noch so berauscht von dieser Ruhe, sodass wir umkehren und uns in diesem Paradies nieder lassen. Ein Espresso später setzen wir dann doch wieder unseren Weg fort.


Zuerst geht es ein Stück auf der neu geteerten Straße weiter ehe wir dann auf die schlechtere Route abbiegen. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes die schlechtere Variante. Wollen wir wirklich dort entlang fahren? Es ist ein FELDWEG! Ich will weniger, Sebastian dafür umso mehr. Und da ich weiß, dass ich ausflippen würde wenn nun wieder so viel Verkehr auf der neuen Straße herrscht, biegen wir auf den Feldweg ab. Ziemlich lange geht es bergab, bis wir den Fluss erreichen. Der Weg ist nur in eine Richtung befahrbar, dicke Pflastersteine liegen herum, dazwischen große Schlaglöcher mit Wasser gefüllt, kleine Bachläufe die den Weg kreuzen und dennoch quält sich ein alter Mercedes Sprinter vor uns entlang. Es scheint der Bus zu sein, der die Bewohner abholt und in die Stadt bringt, bzw. umgekehrt. Denn hier und da sind kleine Häuschen verteilt. Jeder betreibt seine Landwirtschaft, junge Burschen treiben Kühe umher.
Wir radeln immer oberhalb des Flusses ehe wir ihn dann über eine recht neue Brücke kreuzen. Auf der anderen Seite ist der Weg deutlich besser. Er ist ebenso schmal aber feiner Kies-Sand-Boden. Da kommen wir gut voran. Doch es währt nicht lange, da verändert sich auch hier das Straßenbild. Erst kommen nur gröbere Steine hinzu, dann tiefe Löcher oder Rinnen, die durch Regenwasser entstanden sind und schlussendlich scheinen wir auf original alten „Römerstraßen“ zu fahren. Es geht stetig bergauf, ab und an sieht man ein paar uralte bewohnte Häuschen, aber auch viele Häuserruinen. Der Blick in das Tal ist herrlich und lenkt ein wenig von den Strapazen ab. Wir sind überrascht wie „viele“ Autos hier fahren. 4-5 Mercedes Sprinter überholten uns und ein paar Jeeps, alle gerammelt voll mit Menschen. Sie haben heute wohl ihren großen Einkauf in der Stadt getätigt. Wir bräuchten mal wieder Wasser, aber die Brunnen lassen auf sich warten, so müssen wir mit unserem letzten Liter haushalten. Es gibt nur noch kleine Schlückchen, es muss reichen bis zum nächsten Dorf. An sich wäre es nicht mehr weit, vielleicht 10 km, doch es geht plötzlich steil bergauf und die Straße wird immer schlechter. Die Räder rutschen weg oder drehen durch, es ist wieder ein wahrer Balanceakt. Wir erreichen eine kleine Anhöhe und müssen uns das Lachen verkneifen, da steht tatsächlich ein Schild „Campingplatz“. Leider ist dieser noch 2 km entfernt und führt noch weiter bergauf, das entspricht nicht unseren Vorstellungen. So rollen bzw. holpern wir weiter. Für uns geht es nun bergab, stehend und mit max. 10 kmh! Es ist fürchterlich. Zwischenzeitlich hatte es sich zugezogen und ein wenig getröpfelt, doch es ließ Gott sei Dank schnell wieder nach. Auf nassen, klitschigen Steinen wäre es noch unangenehmer geworden. Kurz vor dem Dorf entdecken wir einen schwarzen Schlauch, aus diesem plätschert das Wasser. Na endlich!! Wir füllen all unsere Flaschen auf und ziehen weiter. Gute Entscheidung, denn in dem Dorf gibt es auch nicht viel.


Wer spricht eigentlich von „Dorf“. Es waren lediglich 3-4 Häuser! Es war erst 15 Uhr und wir wollten unbedingt noch den nächsten Berg erklimmen. So machten wir am Fluss nochmal Pause und aßen ein paar Kekse, ehe wir dann den Fluss überquerten und uns wieder bergauf kämpften. Auch hier wieder römisches Kopftsteinpflaster. Mit jedem Pedaltritt kamen wir höher hinauf und landeten auf einer kleinen Hochebene. Ein paar Häuschen waren verteilt und mittendrin am Wegesrand eine große Tafel bei der wir schallend anfingen zu lachen. Wir können zwar kein albanisch, doch aufgrund der Symbole und dem was wir uns her leiten konnten lasen wir aus diesem Schild: „Die folgenden 26 km bis nach Kukes wurden in der Zeit vom 1.7.2013 bis 30.06.2015 neu gemacht. Es hat 18.244.168 Leke gekostet und der leitende Ingenieur ist Herr Mataj.“  Na super, das ist doch klasse. In vier Tagen sind die Bauarbeiten abgeschlossen, da können wir ja davon ausgehen, dass nun top Asphalt kommt. Doch der Blick neben die Tafel, sagt uns etwas ganz was anderes. Nun ja, der Herr Ingenieur hat ja noch 6 Tage Zeit 😉 20150624_1722_IMG_4143_E1So holpern wir weiter über die schlechte Piste. Wieder geht uns das Trinkwasser zu Neige und so langsam könnten wir uns auch auf die Nacht vorbereiten. Doch weit und breit ist wieder nichts zu finden. In unserer Landkarte ist ein Dorf eingezeichnet, dort wollen wir hin, da können wir bestimmt nach Wasser fragen. Voller Hoffnung radeln wir dort hin, doch Pustekuchen, tote Hose! Das Dorf ist menschenleer! Keine Seele weit und breit. Entweder sind sie alle geflüchtet oder ausgestorben. So strampeln wir fleißig weiter und sind überglücklich als wir einen kleinen Bach finden. Sebastian hält die Flasche hinein und füllt sie auf, da hat er plötzlich 2-3 Würmer an seiner Flasche und an seiner Hand kleben. Ooooch nee!!! Wo kommen die denn nun her? Ich habe Bedenken, dass wir uns mit dem Wasser was einfangen, so lassen wir Wasser Wasser sein und radeln noch ein Stück weiter. Es geht bergab. Letzte Hoffnung ist das Dorf unten am Fluss. Doch schon vorher treffen wir auf einen Mann, drei junge Buben und ein Mädchen. Sie sitzen auf einer Wiese und hüten Schafe, Ziegen und Kühe. Wir fragen sie nach Trinkwasser. Der Mann schickt den ältesten Jungen mit unsere Flasche fort. Geschickt wie eine Ziege springt er den Abhang hinunter und verschwindet hinter einem Gebüsch. Es dauert lange bis er wieder mit eiskaltem Wasser zurück kommt. Wir kommunizieren mit Händen und Füßen und erfahren das der „Ziegenpeter“ 17 Jahre ist, der „Schafshirte“ 14 und die zwei „Kuhhirten“ 9 und 12. Wir haben den Eindruck dass man mit 8 Jahren beginnt Tiere zu hüten. Zuallerst 3-4 Kühe, dann eine Herde Schafe und wer den „Bergführerschein“ hat, der darf dann die Ziegen übernehmen. Das ist das Ergebnis unserer Beobachtungen der vergangenen Tage.
Wir fragen ob wir hier irgendwo zelten dürfen. Natürlich wieso nicht, wir können direkt hier wo wir stehen unser Zelt aufschlagen, deutet uns der Mann. Das tun wir doch gerne. Schließlich ist es schon spät, es sieht nach Regen aus und bald wird es dunkel. Sebastian stapft nochmals den Hang hinab um Wasser zu holen, die anderen sammeln langsam ihrer Tiere ein und ziehen bergab in ihrer Häuser. Es ist kalt und beginnt zu regnen als wir im Zelt sitzen.

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